Aussortiert
Vorteil dadurch zu
verschaffen, daß sie Leute, von denen sie etwas wissen wollte, auf
einen Imbiß einlud.
»Mir beim Essen
zusehen? Na gut. Dafür sind Sie aber nicht hier, nicht?«
»Nein, es geht um den
Mord an Jimmy Kistner. Ich klappere nach und nach alle seine Bekannten ab
und sammle Stimmen.«
»Der arme Jimmy! Ach
ja. Und wir sitzen hier in Jimmys Diner! Am Ende hat ihm das Etablissement
gehört? Nein, sicher nicht. Dennoch, Himmel, mein Vorschlag war
unbedacht. Naja. Das war dieser irre Mörder, nicht, der mit der lila
Tinte? Wie könnte ausgerechnet ich Ihnen da helfen?«
Lidia bemühte sich,
ihren Blick im Restaurant schweifen zu lassen, um dem Treffen jedes Gramm
Übergewicht zu nehmen. »Es ist das übliche Stochern im
Heuhaufen. Wir sammeln, was wir kriegen können. Sind für alles
dankbar.«
»Im übrigen war
Jimmy kein echter Bekannter von mir, na gut, wir waren einander bekannt,
wenn man so will, er hat drei-, viermal über mich geschrieben,
kleinere Beiträge, es gab auch gesellschaftliche Anlässe, bei
denen wir uns über den Weg gelaufen sind, aber er war nicht etwa ein
Freund, wenn Sie das denken.«
»Sagen Sie mir einfach,
was Ihnen zu Kistner so einfällt.«
»Naja …«
Anita von Schönfels bekam einen Burger gebracht, dessen Deckel sie
abnahm und an den Tellerrand zu den Pommes legte. Danach schnitt sie mit
Messer und Gabel kleine Stücke vom Fleisch ab und aß ansonsten
nur ein wenig vom Krautsalat. Ihre Finger wurden in Lidias Augen zu so
etwas wie fein surrenden Drähten, deren winzige Zuckungen ähnlich
informativ waren wie die Pendelausschläge eines Lügendetektors.
»Jimmy galt als
… hmmhmm … rüde, aber ich, also persönlich, nein,
konnte mich nie über ihn beklagen. Er hatte was übrig für
den Adel. Wie übrigens die meisten Parvenüs kleinbürgerlicher
Herkunft. Den Adel behandelte er, wenn man ihm nicht gar zu arrogant kam,
aus gesucht höflich, mit Samthandschuhen, wie man so sagt.«
»Wissen Sie etwas
über seine sexuelle Orientierung?«
»Wozu müssen Sie
das denn wissen? Naja … ich versteh schon, darüber muß
ich mal nachdenken, wo Sie das so sagen, also … ich hab ihn nie mit
einer Frau an seiner Seite gesehen, aber ein Homo war er, glaube ich,
nicht … obwohl man da ja nie sicher sein kann.«
Lidia wurde etwas forscher
und erwähnte, daß es Zeugen gebe, die Kistner einen Hang zu
Prostituierten nachgesagt hätten.
»Ach ja? Nun, woher um
Himmels willen soll ich das wissen? Kann schon sein. Sowas erledigt ja
niemand in der Öffentlichkeit. Geschweige denn, daß man darüber
spricht. Und falls doch – dann sicher nicht mit mir.«
»Wie war denn das Verhältnis
Ihres Gatten zu Kistner?«
Jetzt zitterten die Finger
der Gräfin leicht und sie legte das Besteck beiseite. Ihre Stimme
klang gereizt.
»Was Sie auch immer für
Fragen stellen! Mein Gatte und Kistner – was soll ich sagen? Bitte:
Welcher Zusammenhang soll da Ihrer Meinung nach bestanden haben?«
Die Gräfin ging in Lauerstellung und Lidia wiegelte ab, suchte
Zuflucht im Abstrakten.
»Zusammenhänge
stellen sich von selbst her. Meine Frage lautete ganz schlicht: Wie war
das Verhältnis Ihres Gatten zu Kistner? Vorausgesetzt, daß es
eins gegeben hat.«
»Dann fragen Sie doch
meinen Mann. Nein, lassen Sie ihn lieber in Ruhe. Ich kann Ihre etwas
impertinente Frage durchaus beantworten. Sehen Sie, es ist so – mein
Mann scheut das Rampenlicht, er verbringt die Abende am liebsten zu Hause,
sofern es seine Arbeit zuläßt. Wir haben wohl hin und wieder Gäste,
kleine Salons, Cocktailparties, es kann sein, daß Kistner ein- oder
zweimal unser Haus betreten hat. Aber mein Mann hatte über einen höflichen
Händedruck hinaus sicher kein Verhältnis zu ihm, egal welcher
Art. Da bin ich mir sicher.«
Lidia zögerte und wünschte
sich nun, selbst etwas bestellt zu haben, um ihr Zögern durch
Nahrungsaufnahme kaschieren zu können. Es wäre an der Reihe
gewesen, nach Anzeichen von Drogenkonsum bei Kistner zu fragen, doch
dieses Thema zu berühren, hatte Nabel ihr ausdrücklich
untersagt.
»Wie lange sind Sie und
Ihr Mann denn schon zusammen?«
»Beinah sechs Jahre.«
»Haben Sie Kinder?«
»Nein, aber …«
»Was aber?«
»Solche Fragen
beantwortet Ihnen auch die Meldebehörde. Was tut das zur Sache?«
»Verzeihung. Es muß
nun mal sein. Gehen Sie einer
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