Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
stellen:
    1. Hat Kistner Sie einmal zu
     nicht offiziellen gesellschaftlichen Anlässen gebeten, wenn ja, wie
     sahen diese aus?
    2. Haben Sie jemals
     wahrgenommen, daß Kistner ein Drogenproblem haben könnte, oder
     hat er Ihnen dies sogar direkt mitgeteilt? Haben Sie ihn je zusammen mit
     anderen Drogen konsumieren gesehen?       
    3. Hat Ihnen Kistner je
     angeboten, von etwaigen Drogen zu probieren, hat er versucht, Ihnen welche
     auf zudrängen?
    Die für die Befragung
     ausgewählten Prominenten waren allesamt solche der C- bis F-Klasse,
     solche, die nicht gewohnt waren, beim geringsten Anlaß sofort den
     Anwalt herbeizubrüllen.
    Die Fragen sollten nicht
     unmittelbar aufeinander gestellt werden und möglichst wenig aggressiv
     wirken, zwischen etlichem Geplänkel wie nebenbei eingestreut. Das
     Gespräch durfte nie Verhörcharakter annehmen, sollte routiniert
     und unverbindlich klingen.
    Neben Lidia bestimmte Nabel
     noch Van der Maar, Ernstlich, Peschke und die Älteste im Stab, Gudrun
     Basemann, für die Interviews. Fred Ernstlich zog er dann wieder zurück,
     aufgrund dessen Nachnamens. Die Gesprächseröffnung mit dem Satz
     »Mein Name ist Ernstlich, Mordkommission« schien keine sehr glückliche
     Einleitung.
    All das geschah unter
     strikter Geheimhaltung und ohne Wissen und Billigung Seidels. Nabel tanzte
     auf dünnem Eis. Und hatte Glück. Zwar gaben sich fast alle der
     Befragten schuld und relativ ahnungslos, bestätigten allerhöchstens,
     daß sie Drogenkonsum bei Kistner auf Parties wohl mal zufällig
     mitangesehen hätten. Einer aber redete. Es platzte geradezu heraus
     aus ihm. Bereitwillig folgte er der Einladung, mit aufs Revier zu kommen,
     wo seine Aussage zu Protokoll genommen wurde. Diskret. Nur drei Personen
     im Raum. Lidia bediente das Tonband, Nabel stellte die Fragen, vielmehr
     – er hätte Fragen gestellt, wäre der Redeschwall je ins
     Stocken geraten.
    »Ja, Kistner hat mich
     beliefert. Er hat mir Koks angeboten, bei einer Premierenfeier, bei
     welcher möchte ich nicht sagen, ich habe probiert, es war
     erstklassiger Stoff. Der Preis war in Ordnung. Er bat mich, interessierten
     Schauspielkollegen Hinweise zu geben, wo sie solchen Stoff bekommen könnten,
     das habe ich jedoch nie getan. Wozu denn auch? Kein Mensch ist von mir
     angefixt worden. Ich habe ein Jahr lang regelmäßig von Kistner
     Briefchen bekommen, ungefähr vier Gramm die Woche. Ich hatte in den
     Jahren zuvor einige Fernsehserien gedreht, nun gabs eine berufliche
     Flaute, ich merkte, daß mir das Koks zuviel wurde, stellte erste
     Symptome von Paranoia fest, bekam chronische, immer stärkere
     Depressionen, beschloß, clean zu werden und habe Kistner gesagt, ich
     brauche ihn nicht mehr. Daraufhin wurde er unangenehm und behauptete, er
     besitze Videomaterial. Wer nicht für ihn sei, sei gegen ihn. Na und?
     Von mir gab es kein Videomaterial, da war ich ziemlich sicher, Sie
     verstehen? Er redete wohl von eher heterosexuellem Videomaterial. Ich
     drohte ihm mit einer Anzeige, schließlich war ich nur Konsument, während
     er mit dem Zeug gehandelt hat. Nach wenigen Tagen überfielen mich
     zwei braungebrannte Schläger und drohten mir mit dem Tod, würde
     ich meine Klappe nicht halten. Es könnten Türken gewesen sein.
     Sie haben mich geohrfeigt, nicht mehr, nicht weniger. Danach ließ
     Kistner mich in Ruhe, und ich hielt meine Klappe. Ich wurde mehrmals
     Zeuge, wie Kistner einigen Leuten Briefchen zusteckte. Er bot mir einmal,
     ein einziges Mal, auf einer Party spät nachts, auch eine Frau an,
     sogar eine noch sehr junge Frau, was mich aufgrund meiner sexuellen
     Orientierung nicht interessierte. Vielleicht war ich deshalb für ihn
     kein sehr lohnendes Opfer, und er ließ mich laufen, meine Popularität
     hielt sich zu der Zeit ohnehin in Grenzen. Ich habe aber gerüchteweise
     gehört, eigentlich mehr aufgeschnappt, daß Kistner sogenannte
     Inseln der Seligkeit vermittelte. Der Ausdruck fiel mal heim Smalltalk,
     nach der Verleihung vom Deutschen Filmpreis. Darüber weiß ich
     leider nichts Genaues, kann nur mutmaßen, daß es Apartments
     oder Hotelsuiten gewesen sein könnten, wo sich, sagen wir mal: Stützen
     der Gesellschaft dem hingaben, was salopp in der Szene der FIC, der
     Friedman-Immendorff-Cocktail genannt wurde. Koks und Nutten. Kein handelsübliches
     Koks und keine handelsüblichen Nutten. Ein Kollege von mir hat das
     angedeutet, mit leuchtenden Augen. Seinen Namen

Weitere Kostenlose Bücher