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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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nach Hause, brachte Nell dorthin, wo sie hingehörte.
    Kate sah wieder nach vorn. Sie näherte sich jetzt dem schiefergrauen Meer und dem Schiff, das sie nach Hause bringen würde. Nachdem sie sich in die Kolonne der Fahrzeuge auf der Umgehungsstraße eingereiht hatte, legte sie eine Adam-Brand-Kassette ein. Die wummernde Musik half ihr dabei, die Aggressivität ihrer Umgebung zu ignorieren: die aufdringlichen Reklametafeln, das hässliche Industriegebiet, die brüllenden B-double-Laster, die an ihr vorbeidonnerten. Sie drehte die Musik noch ein wenig lauter. Adam Brands tiefe, freche Stimme gab ihr das Gefühl, von der Stadt und von allem, wofür sie stand, weit entfernt zu sein. Sie spürte förmlich die Energie des Landlebens, die Energie ihrer Jugend in ihren Adern pulsieren. Gleichzeitig fühlte sie sich aber auch alt, viel älter als damals, als sie diese Schnellstraße in die entgegengesetzte Richtung entlanggefahren war. Als sie ihrer Familie und ihrer Heimatinsel den Rücken gekehrt hatte. Auf der Flucht vor sich selbst und vor dem winzigen Leben, das in ihr heranwuchs.

    Als das Schiff den Hafen verlassen hatte, teilten sich die Wolken, und die Abendsonne zeigte sich. Die Bucht glitzerte im hellen Sonnenlicht. Kate sah mit zusammengekniffenen Augen zum Horizont, während über ihr die Möwen kreisten. Vor ihr stand Nell und hielt sich an der Reling fest. Sie starrte gleichzeitig etwas ängstlich und auch begeistert auf das blaugrüne Wasser und die schäumende weiße Gischt hinab, während sie die kalte Seeluft auf ihrem Gesicht genoss. Für Kate roch das Meer nach zu Hause und nach Geborgenheit.
    »So blau wie zu Hause auf Bronty ist das Wasser hier nicht. So blau wie dort ist es nämlich nirgendwo«, erklärte Kate ihrer Tochter.
    Sie dachte an den weißen Strand der halbmondförmigen Bucht, der das Land ihrer Familie säumte und vergrub ihr Gesicht in Nells weichem Nacken, atmete ihren süßen Duft ein. Vor ihrem inneren Auge sah sie das Haus, eine scheinbar willkürlich zusammengewürfelte Konstruktion aus weiß gestrichenen Brettern und weiß gekalkten Steinen. An einem Ende des Hauses bildete das dunkelgraue Dach einen spitzen Giebel, der wie ein großes A aussah. In dessen Mitte befand sich das Dachfenster, das über die Koppeln aufs Meer hinaussah. Eine nostalgische Kletterrose rankte sich schon seit so vielen Jahren an den Wänden entlang, dass das Haus im Sommer gut zur Hälfte in ein üppiges Grün gehüllt war. Kate war sich nicht sicher, wie es wäre, in dieses Haus zurückzukehren, dieses Haus, das Annabelle jetzt für sich beanspruchte.
    Kate hatte sich noch nicht davon erholt, dass Annabelle schon so bald nach dem Tod ihrer Mutter in ihr Leben getreten war. Dies war ohne jede Rücksprache geschehen. Ohne ihre Zustimmung. Ohne jede Vorwarnung.
    Kate war selbst schuld daran. Schließlich hatten sie und ihr Bruder sechs Monate nach dem Tod von Laney ihrem Vater vorgeschlagen, eine Kreuzfahrt zu machen. Kate hatte im Internet recherchiert und Prospekte bestellt. Sie zeigten ein strahlend weißes Schiff, so hoch wie ein ganzer Häuserblock, das durch glitzerndes blaues Wasser zu einem glücklichen Land fuhr. Kate hatte sich gewünscht, dass ihr Vater aus diesem Land geheilt zurückkam. Stattdessen war er mit Annabelle zurückgekommen.

    Kate hatte festgestellt, dass ihr Vater sich während der langen Krankheit ihrer Mutter so wie das Meer bei Ebbe immer mehr von ihr zurückzog. Als Kind war sie oft mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugerannt, in dem Wissen, dass er sie lachend hochheben und herumwirbeln würde, so dass die Welt vor ihren Augen verschwamm, bis sie die Farbe von Eukalyptusbäumen und trockenem Gras annahm. Er hatte mit ihr herumgealbert, sie geherzt und geküsst. Dann jedoch war ihre Mutter krank geworden. Je schlechter es ihrer Mutter ging und je mehr Kate zur Frau heranwuchs, desto mehr hatte Henry sich von seiner Tochter entfernt. Er hatte darauf gedrängt, dass Kate wieder ins Internat zurückkehrte, obwohl es ihrer Mutter schon damals nicht mehr gut ging. Kate hatte sich kategorisch geweigert. Sie war Laney zuliebe geblieben, egal, was ihr Vater gesagt oder getan hatte.
    Kate hatte mit der Zeit sowohl die Rolle der Krankenschwester als auch die der Köchin übernommen, es hatte schon bald Tage gegeben, an denen sie sich älter als die Berge rings um sie herum gefühlt hatte. Sie hatte die Infusionsbeutel gewechselt und den abgemagerten Körper ihrer Mutter gewaschen. Dazwischen

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