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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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alle Platz war. Wenn sie die Ratschläge, die sie ihren Kunden in Bezug auf »Familienverhältnisse« gab, für sich selbst übernahm, konnte sie vielleicht eine Art Waffenstillstand mit Annabelle und ihren Kindern aushandeln. Sie konnten gemeinsam für die Farm arbeiten, das schloss auch das altmodische Geschäft mit Sämereien ein. Die Pläne, die sie und Will für ihren Samenhandel geschmiedet hatten, begannen langsam Form anzunehmen. In jeder einzelnen ihrer schlaflosen Nächte hatte Kate sich vorgestellt, wie sie die Familie Webster auf professionelle Art und Weise beriet. All das Fachwissen, das sie auf der Universität, auf Maureens und Tonys Farm und anschließend in ihrem Job erworben hatte, wartete nur darauf, angewendet zu werden. Wenn sich in ihrem Kopf Ideen und Strategien zu formen begannen, war sie stets aus dem Bett gesprungen und ins Büro gelaufen, um ihren Laptop zu holen. Dann war sie wieder unter ihre warmen Decken geschlüpft. Während der blaue Schein ihres Computers ihr Gesicht beleuchtet hatte, hatte sie ihre Ideen in einem Dokument zusammengefasst. Im Laufe der Zeit war daraus ein ganzer Ordner von Plänen, Statistiken und Entwürfen geworden.
    An diesem Morgen lochte sie ein frisch ausgedrucktes Blatt mit der Überschrift Bronty: Ein Gesamtplan für Familie und Farm , und heftet es dann in einem Aktenordner ab. Sie strich lächelnd mit der Hand über das Papier. Ihr Vater könnte nicht ignorieren, was in diesem stetig wachsenden Dokument stand. Darin lebte Will weiter. Es beschrieb seine Zukunft. Sie konnte sie noch immer Realität werden lassen. Ihm und ihrer Mutter zuliebe. Allein schon die Möglichkeit dazu löste ein Gefühl prickelnder Aufregung in Kate aus.

    »Mama!«, schallte plötzlich Nells Stimme aus der Küche.
    »Alles in Ordnung, Schatz? Ich komme gleich.« Kate stand widerwillig von ihrem Schreibtisch auf. Die Fertigstellung ihrer Pläne musste bis morgen warten. Sie musste Nell noch zu Janie hinüberbringen, bevor sie zu den McDonnells fuhr. Die Hochstimmung, in der sie sich befunden hatte, als sie an den Plänen für Bronty gearbeitet hatte, verflog, als sie jetzt daran dachte, dass sie Nick sehen würde. Sie würde es ihm heute sagen – sie würde ihm heute von Nell erzählen.

    Als Kate auf dem Weg nach Rutherglen über die ihr so vertraute Anhöhe fuhr, drosselte sie unwillkürlich das Tempo. Vor ihr erstreckte sich die blaue See. Die von der Dürre gezeichneten Weiden von Bronty warteten sehnsüchtig auf die Regenfälle des Frühlings.
    Als Kate einen Blick auf die erste Koppel an der Grenze hinüberwarf, bemerkte sie das grüne Kapkraut, das bereits einen großen Teil der Schafwiesen erobert hatte. Sie spürte, wie eine tiefe Enttäuschung von ihr Besitz ergriff. Wenn sie nur stark genug gewesen wäre, um weiter auf Bronty zu leben. Dann hätte sie etwas dagegen unternehmen können. Erst jetzt fiel ihr auch auf, dass die Zäune an mehreren Stellen nur noch Stückwerk waren. Einige Abschnitte waren zwar brandneu, andere hingegen hatten schiefe Pfosten und die Drähte hingen durch. Sie bemerkte, dass der Busch auf dem Hügel nur zum Teil vom Vieh durch einen Zaun getrennt war – ein weiteres unbeendetes Projekt ihres überlasteten Bruders. Sie wusste, dass das Bachbett an einigen Stellen mit jedem Jahr tiefer einsinken würden, wenn es dort keine Pflanzen gab, die mit ihren Wurzeln die Krume festhielten. Sie ahnte jetzt, wie Will sich gefühlt haben musste. Sie konnte seine Frustration darüber, dass derartige Probleme nicht mit einem Schlag zu beseitigen waren, gut nachempfinden. Der Tag hatte einfach nicht genügend Stunden, damit ein Mann und sein Sohn all das in den Griff bekamen. Jedenfalls nicht ohne die Unterstützung ihrer Familie.
    In letzter Zeit waren alle finanziellen Reserven nicht in die Farm sondern in das Haus geflossen. Will musste dabei zusehen, wie alles zum Stillstand gekommen war. Kate hatte entsetzliche Schuldgefühle.
Sie hatte Will offensichtlich nicht richtig zugehört, geschweige denn war sie nach Hause gekommen, um ihn zu unterstützen. Ihr wurde übel, als sie auf das Meer hinaussah, das hinter den Dünen wogte.
    Als sie sich der Zufahrt nach Bronty näherte, trat sie das Gaspedal durch. Sie brachte es einfach nicht über sich, das Haus auch nur anzusehen. Sie würde über die Küstenstraße und dann über die mit Busch bestandenen Hügel zur McDonnell-Farm fahren. Plötzlich fiel ihr noch etwas auf. Ein Mann. Auf einem Motorrad. Er fuhr

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