Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
Organisation, die sich um die Erhaltung des Landes kümmern sollte, da sollte sie Dargo und Heyfield nicht als »da draußen« betrachten, sondern als Zentrum ihres Jobs.
»Vielleicht haben Sie ja seine Handynummer?«, schlug Emily vor.
»Es tut mir leid«, sagte die Frau, nicht um sich zu entschuldigen, sondern um eine weitere Mauer zu errichten. »Aus datenrechtlichen Gründen dürfen wir die Handynummern unserer Angestellten nicht weitergeben.«
So abgewimmelt zu werden war Emily fremd. Sie biss die Zähne zusammen. Wie hatte sich Luke nur dafür entscheiden können, einer solchen Organisation beizutreten?
»Wie schade. Trotzdem vielen Dank für Ihre Hilfe«, antwortete sie und sagte sich dabei im Stillen, dass die Frau nur ihren Job tat.
Emily spielte kurz mit dem Gedanken, in Heyfield anzurufen, aber sie wollte Luke nur ungern eine Nachricht hinterlassen. Die Sache musste bis nach dem Viehtrieb warten, beschloss sie. Stattdessen rief sie bei Evie an, um den Mädchen zu sagen, dass sie die beiden vermisste und dass sie in ein paar Tagen zurückkommen würde.
»Außerdem«, flötete sie so fröhlich sie konnte auf das Band des Anrufbeantworters, »hat mir Bridie gerade erzählt, dass Daddys neue Kinder wieder zwei Mädchen werden. Ihr werdet also zwei kleine Schwestern bekommen! Lasst euch von Evie erklären, wie die Maschine funktioniert, mit der man feststellen kann, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird! Ich liebe euch beide und freue mich schon auf euch.«
Sie legte auf und musste daran denken, wie sie Meg und Tilly damals beigebracht hatte, dass Clancy jetzt mit einer anderen Frau zusammenlebte, die ein Kind von ihm bekommen würde. Die Nachricht von dem Baby hatte die Mädchen so durcheinandergebracht, dass sie immer wieder dieselben Fragen stellten, bis Emily schließlich völlig entnervt war.
Dann hatte die arme Tilly ausgerufen: »Also hat er jetzt eine neue Familie und kommt nicht mehr zu uns zurück!« Meg hatte stirnrunzelnd darüber nachgesonnen und schließlich beruhigend die Hände auf Tilly gelegt und erklärt: »Das ist okay. Daddy wird uns das Baby sehen lassen, oder, Mummy?« Mit Tränen in den Augen hatte Emily ihren Töchtern versichert, dass die Familie dadurch noch größer und netter würde und dass sie einen neuen Bruder oder eine neue Schwester bekämen, aber als ein Tag nach dem anderen verstrich, ohne dass Clancy sie besucht oder ihre Anrufe erwidert hätte, brach es Emily fast das Herz für ihre Töchter. Außerdem war sie wütend, weil ihr Mann es ihr überlassen hatte, den beiden die Situation zu erklären.
Als sie ihnen dann erzählte, dass Penny Zwillinge bekam, schienen sich die beiden Mädchen bereits mit der neuen Situation abgefunden zu haben. Meg schien sich sogar zu freuen, dass es nicht nur ein Baby, sondern zwei geben würde. Emily vermutete, dass die Mädchen ihren Vater schon nicht mehr so stark vermissten. Sie hoffte, dass die beiden auch weiterhin so gut mit der Situation zurechtkommen würden.
Sie schlug den Kragen hoch und ritt weiter. Auf der windabgewandten Seite des Berges hatte es aufgehört zu regnen, aber wenn die Windböen durch die Bäume fegten, plumpsten fette, nasse Tropfen von den Blättern auf Emily und Snowgum. Die Hufe der Pferde vor ihnen hatten tiefe Halbmonde in den schlammigen Weg gedrückt. Emily musste zügig reiten, um die anderen einzuholen, trotzdem wollte sie die Landschaft auch genießen. Wenn sie die Rinder erst ins Tal getrieben hatten, gab es für sie keinen Grund mehr, diesen Weg noch einmal zu reiten.
Nach einem kurzen Stoßgebet, dass die Narbe nicht durch den Sattel aufgerieben würde, trieb sie Snowgum in einen leichten Galopp und rief Rousie mit einem scharfen Pfiff zu sich. Der Hund setzte mit gespitzten Ohren über liegende Baumstämme und lief hinter Snowgum her den Pfad zur Shepherd’s Hut hinab.
Emily lenkte ihr Pferd von dem Fahrweg auf eine Abkürzung, einen schmalen Pfad, den nur die Cattlemen, ihre Rinder und die Wombats kannten. Sie ritt an Bäumen vorbei, die vor hundert Jahren markiert worden waren. Obwohl diese Gegend sehr abgeschieden war, war sie einst von Stimmen und Werkzeugen belebt gewesen. Um an ihre Minen zu kommen, hatten die Menschen hier ganze Hänge kahlgeschlagen und kilometerlange Kanäle gegraben, die Wasser zu den Gesteinsmühlen brachten. Sie hatten auf den Hügelkuppen Bäume gefällt und daraus Hütten, Pferche und klobige Buschmöbel gezimmert. Viele waren verhungert oder auf andere
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