Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen
war ihr nur noch nach Weinen zumute.
»Danke, Mum.« Tillys Augen leuchteten, so freute sie sich über den Besuch. Dann rannten die Mädchen los in Evies Wärme.
Als Emily mit roter Nase und rot geweinten Augen ins Haus trat, setzte ihre Besucherin ihren Töchtern gerade einen Teller heiße Suppe vor. Beide kauten bereits glückselig an Brotscheiben, die Evie dick mit selbst gemachter Butter belegt hatte.
»Was tust du denn hier, Evie? In diesem Schnee! Ich dachte, du würdest erst hier heraufkommen, wenn er geschmolzen ist.«
»Ich konnte doch nicht wissen, dass wir so einen strengen Winter bekommen! Außerdem ist das Fahren im Schnee ein Kinderspiel verglichen mit der Fahrt durch einen Staubsturm draußen im Outback«, meinte Evie augenzwinkernd. Sie setzte Emily einen Teller voller köstlicher Gemüsesuppe mit Huhn vor, und Emily erkannte, dass sie so gut wie nichts über die Vergangenheit ihrer Freundin wusste. Sie wusste, dass Evie Krankenschwester war und dass sie in Aborigine-Gemeinden in der Wüste gearbeitet hatte, aber sie hatte keine Ahnung, woher Evie kam und ob sie Verwandte oder sogar Kinder hatte.
Emily wollte sie gerade danach fragen, als Evie sagte: »Du siehst aus, als hättest du einen schweren Tag hinter dir.« Emily merkte, wie ihr die Kehle eng wurde, sobald sie an Lukes angespanntes Gesicht und seine kühlen Vorhaltungen dachte. Sie biss sich auf die Lippe und senkte den Blick. Evie tätschelte ihre Hand. »Einen Augenblick.«
Sie zog einen Teller mit Schokoladekeksen aus dem Vorratsschrank und reichte ihn Tilly. »Die sind für euch, Schätzchen. Setzt euch vors Feuer und lasst es euch gutgehen. Wir bringen euch gleich einen Becher heiße Schokolade.«
»Danke, Evie!«, freute sich Meg.
Sobald die Mädchen nach nebenan verschwunden waren, ließ sich Evie auf dem Stuhl neben Emily nieder. »Also, erzähl.« Ihre grünen Augen glühten.
Emily erzählte ihr von Giles Grimsley, der sich so vor ihr aufgespielt hatte und der sie vor dem alten Schutzgebiet ihrer Familie so zusammengestaucht hatte, dass sie sich wie Dreck vorgekommen war, wie eine Aussätzige in ihrer eigenen Heimat.
»Und das Schlimmste war, dass Luke dabei war«, schluchzte sie. »Und er hat nichts unternommen, um mir zu helfen. Stattdessen hat er mir alle meine Verstöße vorgelesen! Jetzt wollen sie mir ein Bußgeld auferlegen und irgendwelche Ämter informieren, dass ich meine Kinder vernachlässigen würde!«
»Das werden sie nicht! Ach, Em«, seufzte Evie und zog Emily in ihre Arme. »Was für ein Haufen Mist. Du bist eine wunderbare Mutter und eine wunderbare Buschfrau.«
»Aber was soll ich nur tun, wenn sie mir die Mädchen wegnehmen, Evie?« Inzwischen weinte Emily ganz offen.
»Emily, Liebes, das werden sie bestimmt nicht. Das sind nur Männer, die ihre Muskeln spielen lassen. Verschwende deine Energien nicht auf sie. Denk gar nicht darüber nach. Das geht vorüber. Du kennst die Wahrheit – dass deine Mädchen die beste Erziehung genießen, die sich ein Kind nur wünschen kann! Dass du sie lehrst, ein Teil der Natur zu sein, statt sie zu fürchten, ist ein Geschenk! Heute ist das vielleicht ungewöhnlich und darum unverständlich für eine Behörde, aber Luke begreift das sehr wohl. Er versteht dich.«
»Warum hat er dann gar nichts gesagt? Oder seinem Boss widersprochen?«
»Er wollte sich selbst schützen.«
»Aber seinen Job zu beschützen, statt für das einzustehen, was moralisch richtig ist? Für so feige hätte ich ihn nicht gehalten.«
»O, ich glaube, du wirst feststellen, dass er das nicht ist. Vielleicht wollte sich Luke vor etwas anderem schützen.« Emily sah verwirrt auf. Evie zog die Brauen hoch. »Meine Ärmste, verstehst du denn nicht? Er wollte sich vor dir schützen.«
»Vor mir?«
»Ganz recht. Weil er in dich verliebt ist.«
Die Worte schienen in der Luft zu schweben. Emily setzte sich auf. »Aber …?
»Da gibt es kein Aber. Er spürt eine so tiefe seelische Verbindung zu dir, dass es ihm Angst macht. Und der Zeitpunkt in eurem Leben, euch zu finden, ist einfach noch nicht gekommen.«
Emily hätte am liebsten die Augen verdreht, aber etwas hielt sie ab. Evie sprach mit solcher Inbrunst, dass Emily unwillkürlich über ihre Worte nachdachte. Evie versuchte nie, sie oder Sam von ihren Theorien zu überzeugen . Wenn sie etwas sagte, klang es immer, als wären die Dinge einfach so, wie sie es darstellte.
»Wir haben alle einen Körper, nicht wahr? Und in diesem Körper wohnt eine
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