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Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen

Titel: Australien 04 - Wo wilde Flammen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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bist!«
    »Ich und verlogen! Du protestierst doch gegen alles und jedes außerhalb dieser Stadt«, brüllte Luke zurück. »Aber was hast du hier erreicht? Wie wäre es denn mit einem Gemeinschaftsgarten? Oder einem Gnadenhof für Batteriehennen? Oder einer Aufklärungsaktion für Kinder über unser Essen und den Kreislauf von Leben und Tod? Warum baust du nicht mal irgendwas auf, statt immer nur andere Leute anzupflaumen? Warum leistest du nie etwas?«
    »Ich glaube, ich spinne. Warum hast du nie irgendwas angestoßen, wenn du auf alles eine Antwort hast, Einstein? Ich bin von uns beiden die Engagierte. Ich bewirke etwas. Du hockst in letzter Zeit nur noch rum und brütest vor dich hin. Du lächelst nie! Und alles ist dir völlig egal!«
    »Weil ich tot gewesen bin, Cassy! Tot! Seit zwei Jahren bin ich tot!«
    »Wie meinst du das, tot?«
    »Ich weiß es nicht.« Luke war den Tränen nahe und fuhr sich mit den Händen durch die dunklen Locken. Die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen unter dem Ansturm der Gefühle. Eisern schweigend saß er da und versuchte, den Zeitungsartikel vor ihm zu entziffern. Hauptsache, er bekam die Gefühle unter Kontrolle, die ihn plötzlich zu überwältigen drohten.
    Zitatfetzen blitzten von der Zeitung auf. Es waren die Hilfeschreie von Bauern, die man in die Knie gezwungen hatte. »Es reicht!«, stand da zu lesen. »Wir sind es leid, wie Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden«, klagte ein anderer. »Die Regierung meint, dass wir Farmer nichts zählen.« »Vielleicht wird es irgendwann überhaupt keine australischen Farmer mehr geben.«
    Wieder begannen die Worte auf der Seite zu verschwimmen. Luke kannte all diese Aussprüche seit seiner Kindheit. Sie deprimierten und verwirrten ihn zusätzlich. Erschrocken über seinen Zusammenbruch legte Cassy eine Hand auf seine Schulter.
    Wütend schüttelte er ihre Finger mit einem Brüllen ab. Er schleuderte den Karton, den er gerade gepackt hatte, auf den Boden und stand so plötzlich auf, dass der Stuhl krachend nach hinten kippte.
    Aus dem Gang rief Karla: »Vögelt ihr schon wieder auf dem Küchentisch? Dann tut bloß meine Seminararbeit weg!«
    Luke griff nach den Schlüsseln. Er wusste, dass Cassy nichts dafür konnte, wie er sich fühlte. Aber er wusste auch, dass er sich aus dieser verrückten, verqueren Beziehung befreien musste.
    »Ich bin weg hier.«
    »Wie meinst das, weg ?«
    » Einfach weg«, sagte er und knallte die Haustür so fest zu, dass das Krishnabild im Flur von der Wand fiel.
    So war er in seinem brummenden kleinen Datsun auf dem Freeway gelandet, ohne dass er gewusst hätte, wohin er wollte. Er wäre so gern dorthin zurückgekehrt, wo er aufgewachsen war, wo seine Mutter das liebevoll von ihr gezogene Gemüse gekocht hatte, wo er nach Herzenslust Flusskrebse fangen konnte, wo er einen jungen Schössling aus dem Boden ziehen konnte, um Köderwürmer zu finden, oder wo er einfach in den Entwässerungskanälen neben den leeren Straßen waten konnte. Dieser Platz und diese Stille.
    Aber er wusste, dass seine Erinnerung an daheim durch den zeitlichen und räumlichen Abstand verklärt wurde. Das wirkliche Leben auf der Weizenfarm hatte damit wenig zu tun. Der ständige Stress hatte seinen Vater ausgezehrt und ausgemergelt und lang vor der Zeit tiefe Falten in sein verwittertes Gesicht gekerbt. Er sah seine Mutter in ihren Arbeitsklamotten freudlos und ohne ein Lächeln im Gesicht vor sich. Einmal war der Fußballtrainer vorbeigekommen und hatte weinend vor ihrer Tür gestanden, weil er ihnen erklären musste, dass das Team mangels Nachwuchs aufgelöst worden war. Lukes Mutter musste mit den anderen Bewohnern im Ort darum kämpfen, das örtliche Krankenhaus zu erhalten. Dann hatten sie auch die Schule geschlossen und den Städtern erlaubt, ihr Geld in Investmentfonds zu pumpen, die Farmen wie die ihre aufkauften und alle Felder mit Bäumen bepflanzten.
    Sie , dachte Luke. Wer waren »sie« eigentlich? Die Menschen, die in ihren bequemen, sauberen Autos an ihm vorbei zu ihren Büros rasten? Er stand kurz davor, ein Teil von ihnen zu werden, oder etwa nicht? Er stand kurz davor, sich von dem bürokratischen Kraken einverleiben zu lassen, der die Wälder, die Schulen, die Straßen, die Krankenhäuser managte. Die Vorstellung machte ihm Angst und gab ihm das Gefühl, winzig zu sein. Wie konnte er sich Hoffnungen machen, sich dort je einzufügen, vor allem unter einem Boss wie Giles Grimsley? Aber immerhin würde er im Herzen

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