Autobiografie einer Pflaume - Roman
sieht aus, als wollte sie weinen.
«So viele Geschenke habe ich noch nie zum Geburtstag bekommen. »
«Fang mit dem da an», sagt Jujube und zeigt auf seines.
«Jujube, du nervst», sagt Simon.
«Keinen Streit, Kinder», ruft Rosy.
«Ich bin nicht schuld», heult Ahmed.
Béatrice kauert sich hin, und Camille nimmt ihr die Brille ab. Jetzt sieht sie die Geschenke, und wir sehen ihre Tränen.
«Wein doch nicht», sagt Camille und nimmt ihre Hand, aber das nützt nichts.
Béatrice ist der reinste Wasserhahn.
Rosy nimmt sie auf ihre Knie, und das kleine schwarze Mädchen versteckt seinen Kummer an Rosys Hals.
«Na, na, mein Kätzchen, das geht vorbei», sagt Rosy und tätschelt ihr den Kopf, und dabei kann man sehen, dass Rosy selber total gerührt ist, denn ihre Stimme zittert und ihr Mund auch, und wenn das so weitergeht, wird sie gleich mitweinen.
«Mir geht es auch nicht gut», sagt Jujube und zeigt sein Pflaster.
«Geh uns nicht auf den Wecker, Jujube», sagt Boris,«das ist fast zwei Wochen her, und es ist komplett verheilt.»
Jujube sagt nichts mehr, weil er beleidigt ist, aber das sind wir gewohnt, sogar Monsieur Paul, und alle verdrehen die Augen zur Decke. Und dann trocknet Béatrice sich mit ihren kleinen Fäusten die Tränen, und sie packt sich das größte Geschenk, das ganz unten im Haufen liegt, und der Haufen stürzt ein, und darüber lachen Béatrice und Rosy und Monsieur Paul und sogar Jujube, der nicht mehr den Beleidigten spielt.
Das größte Geschenk ist das von Rosy; es ist ein Kleid mit roten und weißen Karos, eingepackt in schönes weißes Papier,
das Béatrice sich auf den Kopf legt, so dass sie aussieht, als würde sie heiraten, nur dass man nicht weiß, wen. Jetzt ist ihr gar nicht mehr nach Weinen zumute; ihre Finger reißen das Geschenkband und das bunte Papier auseinander, als hätte sie eine dringende Verabredung. Wir sind alle gespannt wie die Flitzebogen, und Rosy schreit keinen von uns an, und mit den Augen reißen wir auch Bänder und Papier auseinander, und wir versuchen, das Geschenk zu sehen, bevor Béatrice es sieht, aber da hält sie es schon in den Händen, und es ist der Stoffhase von Ahmed. Sie sagt etwas in das Plüschohr, was wir nicht hören können, und legt den Hasen vorsichtig auf das Kleid mit den roten und weißen Karos, und dann reißt sie ein anderes Päckchen auf, und da ist die Puppe von den Brüdern Chafouin drin, die lacht, wenn man ihr auf den Bauch drückt, und Béatrice, die das nicht weiß, steckt ihr die Finger in den Bauch, und die Puppe lacht, und Béatrice erschrickt und traut sich nicht, sich zu rühren, und versteckt ihre Finger in der Nase, und ihre Augen werden riesengroß, als Alice den Bauch der Puppe berührt.
Schnell reißt sie Alice die Puppe aus der Hand.
«Die gehört mir», ruft sie.
Alice zittert, als wäre hier drinnen plötzlich Winter, wie ein Blatt, das sich vom Baum lösen will, und dann fällt sie hin, und man sieht nur noch Stoff und Haare.
«Das ist nicht nett von dir», sagt Rosy und lässt die kleine Schwarze auf ihrem Stuhl stehen, um sich um Alice zu kümmern.
Béatrice schaut Monsieur Paul an, der sie mit ernstem Blick ansieht, und sie will zu heulen anfangen, doch da flüstert Camille ihr etwas ins Ohr.
Sofort steigt Béatrice vom Stuhl und geht zu dem Häufchen Elend, das Rosy an den Busen gedrückt hält, und sie schaut Rosy an, die so tut, als sähe sie sie nicht, und sie stellt sich auf
die Zehenspitzen und schüttelt Alice ein bisschen, und Alice dreht ihr den Kopf mit den Haaren im Gesicht zu, und Béatrice schiebt die Haare mit den Fingern beiseite und streichelt die Sommersprossen, und dann zeigt sie den Augen, die voller Angst sind, die Puppe.
«Da, die ist für dich.»Und das Lächeln von Rosy sieht sie nicht. Nur das von Alice, so winzig wie ein Streichholz.
«Danke schön», sagt der Mund, bevor er die Puppe küsst.
Und alle klatschen in die Hände, bis auf Jujube:«Ich hätte mein Geschenk nicht hergegeben», und Simon sagt:«Nein, du hättest es aufgefressen», und da muss sogar die Puppe lachen.
Béatrice steckt sich den rosa Ring an den Finger, setzt sich die Mütze auf, die Monsieur Paul ihr geschenkt hat, und faltet das Bild von Jujube auseinander: ein Strand mit Bäumen, die Federn haben, und mit einer riesengroßen Sonne über einem kleinen schwarzen Mädchen im rosa Badeanzug, das im Sand liegt.
«Rosy hat mir ein bisschen geholfen», gesteht Jujube.
Béatrice hört ihm nicht zu. Sie
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