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Rassen geglaubt. Ich gehörte nicht zu den Totenkopfverbänden, welche die Vernichtung der Juden übernommen hatten. Ich war bei der Waffen-SS, die rein militärische Funktionen hatte. Ich habe meinem Land als anständiger Soldat gedient. Nun gut, mein Land hat den Krieg verloren. Über Fragen der Moral mag die Geschichte befinden. Und nun lebe ich in Amerika, das seine Bewohner als die größte Nation auf Erden bezeichnen. Mein Gewissen ist jedenfalls rein, und wenn nötig, würde ich heute mit derselben Entschlossenheit für Amerika kämpfen, mit der ich einst für Deutschland gekämpft habe.«
Durch diese Beteuerungen hatte Miller sich wieder etwas beruhigen lassen.
Zusammen mit anderen Angehörigen der Waffen-SS war es seinem Vater bei Kriegsende gelungen, das Land zu verlassen und unterzutauchen. Sie hatten die Papiere toter Zivilisten an sich bringen können und waren damit nach Bolivien, Mexiko, Amerika, Kanada, England und Schweden geflohen. Sie waren jedoch miteinander in Verbindung geblieben, um sich immer wieder gegenseitig zu bestätigen, daß sie nach wie vor der Elite ihrer alten Heimat angehörten, wie nachhaltig die Geschichte deren Wertsystem auch als falsch und unmenschlich hingestellt haben mochte.
Ebenso hatten die Söhne dieser >Elite< den Kontakt miteinander gepflegt. So hatte Miller schließlich Aufnahme in den Kreis der ehemaligen Freunde seines Vaters gefunden. Er und die Söhne der anderen Väter hatten sich verpflichtet, sich gegenseitig zu helfen, falls einer ihrer Väter in Bedrängnis geraten sollte. Am Ersten jeden Jahres mußte außerdem jede Familie zwanzigtausend Dollar aufbringen, die dem einzigen Außenstehenden, der ihr Geheimnis kannte, als Schweigegeld gezahlt wurden.
Doch nun hatten diese Schweigegelder sich als wirkungslos erwiesen. Darüber hinaus waren mittlerweile nicht nur die Väter aufgrund ihrer Vergangenheit in Bedrängnis geraten, sondern auch die Söhne selbst.
Welch ein Wahnsinn.
Die Vergangenheit soll ruhen, dachte Miller. Das einzige, was zählt, sind Gegenwart und Zukunft. Die Leute, die ihre Väter entführt hatten, täuschten sich; sie lasteten ihnen aus Unkenntnis der Sachlage Verbrechen an, die sie gar nicht begangen hatten.
Doch der gutaussehende junge SS-Offizier, der Miller voller Stolz von dem Foto in seiner Hand entgegenblickte, glich auf geradezu fatale Weise seinem Vater. Nein! Mein Vater kann mich doch nicht belogen haben!
Doch wie hätte er es andrerseits wagen können, ihm die jedes menschliche Fassungsvermögen überschreitende Wahrheit zu enthüllen?
Ich bilde mir das alles ein, versuchte Miller sich zu beruhigen. Als ich vor zwei Tagen das Foto dieses SS-Offiziers ansah, wäre ich nicht im Traum auf die Idee gekommen, es könnte sich dabei um meinen Vater handeln.
Oder hatte ich es vielleicht nur nicht sehen wollen?
Der Gedanke ließ Miller nicht mehr los. Wie gebannt starrte er auf die Stelle direkt unter dem Mützenschirm des SS-Offiziers.
Er versuchte sich einzureden, was er dort sah, wäre nur auf einen Fehler in der Vergrößerung, auf einen Kratzer im Negativ zurückzuführen. Doch die Narbe, die auf der Stirn des SS-Offiziers zu sehen war, war identisch mit der Narbe auf der Stirn seines Vaters, die von einem Autounfall herrührte, in den er im Alter von zehn Jahren verwickelt worden war.
Wie kann ein Mensch eine Bestie lieben?
Doch wie kann ein Mensch wissen, daß der, den man liebt, eine Bestie ist?
Bevor er wußte, was er eigentlich tat, hatte Miller nach dem Telefon gegriffen.
5
»Das Justizministerium? Wer hat Ihnen das gesagt?« Halloway preßte den Hörer fester an sein Ohr.
»Ein Reporter von Associated Press.« , »Gütiger Gott.«
»Er hat behauptet, mein Vater wäre ein Nazi-Kriegsverbrecher«, fuhr Miller fort. »Der Kommandant eines SS-To-tenkopf-Verbands.«
»Aber das ist doch vollkommen absurd!« »Finden Sie? Mir kommen jedenfalls langsam Zweifel. Es gibt da verschiedene Dinge, die er mir erzählt hat...«
»Sie haben diesem Kerl doch nicht etwa geglaubt? Diese Reporter lügen doch das Blaue vom Himmel herunter!«
»Ich habe mir diese Fotos noch einmal genauer angesehen und... «
»Sie hätten diese verdammten Fotos doch vernichten sollen!«
»Auf einem davon ist mein Vater in Uniform abgebildet -mit einem Totenkopf an der Mütze und vor einem Berg von Leichen!«
»Ein Foto aus dem Zweiten Weltkrieg? Woher wollen Sie überhaupt wissen, wie Ihr Vater damals ausgesehen hat? Dieses Foto beweist noch
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