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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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nieder.«
    Lhiannon hatte gelernt, dass ein Druide Freude wie Leid mit gleichem Abstand begegnen sollte, aber sie konnte einen Hauch von Schadenfreude nicht unterdrücken.
    »Männer … und auch Frauen …« Coventa stockte. »Frauen mit hellem Haar. Sie gehören auch zu unserem Volk …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will das nicht mehr sehen …«
    »Ist gut, Coventa – lass es los, lass es vergehen«, sagte Lhiannon rasch. Sie erinnerte sich jetzt, dass die Bewohner von Verlamion römische Sitten angenommen hatten, und verstand eindeutig, was dort gerade passieren musste. »Siehst du die Straße, die durch die Stadt führt? Folge ihr, meine Liebe. Lass den Kampf hinter dir.«
    »Die Straße liegt vor mir …« Coventa entwich ein dankbarer Seufzer. »Die Nacht bricht herein, und das Land ist friedlich. Was soll ich für dich sehen?«
    »Folge der Straße nach Norden, und sage mir, ob dort noch jemand unterwegs ist. Reise nordwärts, Seherin, und halte Ausschau nach römischen Soldaten«, sagte Lhiannon ergrimmt.
    Eine Weile sagte Coventa nichts, und ihr Haar fiel nach vorn, als sie sich über den Teich beugte. Lhiannon beobachtete sie ganz genau, wartete auf den Augenblick, da sie sich versteifte und zu zittern begann.
    »Sie können dich nicht sehen, sie können dich nicht fühlen«, murmelte sie. »Steige auf in den Himmel, sieh hinab und sage mir, was du siehst …«
    »Die Straße führt über eine Ebene. Nach Westen hin steigt der Boden leicht an. Dort liegt eine kleine Feste, aber die Römer sind nicht darin. Ich sehe viele Lagerfeuer und diese Lederzelte, die sie immer haben. Sie lagern an einem Ort, wo eine Senke in die Berge führt, und hinter ihnen liegt Wald. Zwischen ihnen und der Straße ist ein Fluss, gesäumt von Schilf.«
    »Steige höher, Coventa«, murmelte Lhiannon, während sie angestrengt nachdachte. Wenn die Römer nicht marschieren, dann muss Paulinus sich für ein Schlachtfeld entschieden haben. »Du hast genug gesehen, meine Liebe – komm jetzt schnell wieder zu uns zurück, segle ostwärts über das Land, bis du zu dem Tor kommst. Alles, was du gesehen hast, sollst du hinter dir lassen … du wirst dich nicht daran erinnern, du wirst dich nicht darum grämen … komm jetzt zurück, dein Körper wartet …« Sie streckte die Arme nach ihr aus, und Coventa sank hinein.
    »Wird es ihr bald wieder besser gehen?«, fragte Nessa, die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt, als Lhiannon die Priesterin zur Ruhe bettete.
    »Sie wird in Kürze aufwachen und sich sehr wahrscheinlich an gar nichts mehr erinnern.« Lhiannon strich ihr sanft eine Locke zurück.
    »Glaubst du, dass es wahr ist, was sie gesehen hat?«, fragte Nessa weiter.
    »Ich fürchte, ja«, antwortete Lhiannon. »Vermutlich greift Königin Boudicca in diesem Augenblick Verlamion an.«
    »Aber da warten die Römer doch nur darauf«, sagte Nessa.
    Lhiannon seufzte. »Ja«, sagte sie düster. »Aber das weiß sie nicht.«
    »Und wir haben keine Möglichkeit, ihr das zu sagen …« Nessa sah sie bestürzt an. »Oder?«
    »Ich muss versuchen, sie zu warnen«, sagte Lhiannon, und ihr Entschluss wurde klarer mit jedem Wort, das sie aussprach. »In Camadunon werden sie mir ein Pferd und etwas zu essen geben. Und ich bin eine schnelle Reiterin, wenn es nottut.«
    »Aber es wird gefährlich sein!«
    »Kein Britannier wird mir etwas tun, und die Römer haben sich alle in ihren Festungen verschanzt oder warten irgendwo auf Boudicca. Du und Coventa, ihr werdet hier auf Avalon sicher sein. Los jetzt, schnell, sie wacht auf …«, sagte sie, als Coventa sich rührte. »Boudicca braucht mich, aber ich verspreche, dass ich zu euch zurückkommen werde!«
    Boudicca ritt in ihrem Streitwagen in Verulamium ein wie ein römischer Feldherr in seinem Triumphwagen, aber ihr Herz verspürte keine Freude. Hier hatten Britannier gelebt, auch wenn sie verräterisch waren, doch sie waren nicht die Einzigen, die der Versuchung erlagen, die Sitten der Eroberer nachzuahmen. Wie sollte sie ihr Volk denn zurückgewinnen, wenn sie nichts als Rache zu bieten hatte? Wenigstens war es ihr gelungen, ihre Krieger von einem Angriff auf die nahen Gehöfte abzuhalten, aber die Palisade, welche die städtischen Gebäude umgab, loderte bereits.
    Vordilic stand vor einem Tor, an das sie einen Mann mit ausgebreiteten Armen gebunden hatten, zum Hohn und Spott der römischen Kruzifixe. Vor ihm auf dem Boden lag ein weißer Haufen Stoff, der kaum mehr als Toga zu erkennen war.

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