Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Sie zeigten mir seinen Schuh…«
»Seinen Schuh, Vetter?«
»Er verlor ihn, als der Drache ihn packte, und ich wollte den Schuh nicht berühren… Schleim klebte daran«, fuhr Balan fort. »Ich will Artus bitten, mir ein halbes Dutzend Ritter zu geben, damit wir ihn verfolgen und erlegen können.«
»Ihr müßt Lancelot bitten, wenn er zurückkommt«, sagte Morgaine so unbeschwert wie möglich. »Er braucht etwas Übung im Umgang mit Drachen. Ich glaube, Artus versucht, ihn mit Pellinores Tochter zu vermählen.«
Balan blickte sie scharf an: »Ich beneide die Frau nicht, die meinen Bruder zum Mann bekommt«, erklärte er: »Wie man erzählt, gehört sein Herz… oder sollte ich es nicht sagen?«
»Ihr solltet es nicht sagen«, erwiderte Morgaine. Balan zuckte die Schultern. »Nun gut. Artus hat also keinen besonderen Grund, für Lancelot eine Braut zu finden, die weit entfernt von Camelot lebt. Ich wußte nicht, daß Ihr wieder am Hof seid, Base. Ihr seht gut aus.«
»Und wie geht es Eurem Ziehbruder?«
»Balin ging es gut, als ich ihn das letzte Mal traf«, erwiderte Balan, »obwohl er sich mit Viviane noch immer nicht ausgesöhnt hat. Trotzdem, ich glaube nicht, daß er ihr den Tod unserer Mutter noch vorwirft. Damals geriet er völlig außer sich und schwor Rache. Aber er müßte wahnsinnig sein, jetzt noch solche Gedanken zu hegen. Zumindest sprach er nicht mehr davon, als er Pfingsten vor einem Jahr hier war. Ihr wißt es vielleicht nicht… Artus hat es zur Regel erhoben, daß jeder seiner Ritter sich an Pfingsten auf Camelot einfindet, wo immer er sich auch befinden mag, um an seiner Tafel zu speisen. Und an diesem Festtag nimmt er auch neue Gefährten in die Runde seiner Ritter auf. Außerdem hört er
jeden
Bittsteller an, der vor ihn tritt…«
»Ja, ich habe davon gehört«, erwiderte Morgaine und leichtes Unbehagen überkam sie. Kevin hatte ihr schon von Vivianes Absicht erzählt, und sie redete sich ein, nur die Vorstellung beunruhige sie, daß eine alte weise Frau wie die Herrin von Avalon als einfache Bittstellerin nach Camelot kommen würde. Und wie Balan sagte, konnte nur ein Verrückter nach all dieser Zeit noch an Rache denken.
Kevin spielte und sang am Abend; spät in der Nacht schlich sich Morgaine aus der Kammer, in der sie mit Gwenhwyfars unvermählten Hofdamen schlief. Unhörbar wie ein Geist – oder wie eine Priesterin aus Avalon – legte sie den Weg zu Kevins Schlafgemach zurück.
Zufrieden verließ sie ihn noch vor Tagesanbruch. Aber etwas beunruhigte sie – obwohl sie über genug andere Dinge als über Artus gesprochen hatten.
»Artus wollte nicht auf mich hören«, sagte Kevin. »Er erklärte, das Volk von England sei ein christliches Volk. Er würde niemanden verfolgen und bestrafen, der anderen Göttern dient, aber er, der König, stehe auf seiten der Priester und der Kirche, wie sie an seiner Seite stünden. Und er schickt der Herrin von Avalon die Botschaft, wenn sie das Schwert zurückfordere, solle sie kommen und es sich holen.«
Selbst nachdem Morgaine in ihr Bett zurückgekrochen war, lag sie lange wach. Excalibur war das sagenhafte Schwert, das die Stämme und die Nordmänner an Artus band. Und es war sein Bündnis mit Avalon, das seinem Thron das Alte Volk zugeführt hatte. Nun sah es aus, als wolle der König sein Wort weniger denn je halten. Sie konnte mit ihm sprechen… doch nein, er würde nicht auf sie hören. Sie war eine Frau und seine Schwester… Und immer stand die Erinnerung an den Morgen in der Höhle zwischen ihnen. Sie konnten nie mehr so offen miteinander sprechen, wie es vor dieser Nacht vielleicht möglich gewesen wäre. Und sie verkörperte nicht die Macht von Avalon; sie hatte die Macht mit eigenen Händen von sich geworfen.
Vielleicht gelang es Viviane, ihm vor Augen zu führen, wie wichtig es war, den Eid zu halten. Sie sagte sich das immer wieder vor, aber trotzdem dauerte es lange, ehe sie die Augen schließen und einschlafen konnte.
15
Gwenhwyfar lag noch im Bett und spürte trotzdem die warmen Sonnenstrahlen durch die Bettvorhänge hindurch –
der Sommer
ist da. Und dann dachte sie:
Die Feldfeuer!
Für sie waren sie der Inbegriff des Heidentums. Gwenhwyfar wußte mit Sicherheit, daß in dieser Nacht sich viele der Dienstleute aus Camelot wegstahlen, wenn auf der Dracheninsel die Feldfeuer zu Ehren ihrer Göttin brannten, um sich in den Feldern zu paaren…
und bestimmt kamen manche Frauen mit dem Kind des Gottes im Leib zurück… und
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