Avanias der Große
opfern.“
Der alte Priester war schockiert. Menschenopfer hatte es noch nie in einem palparischen Tempel gegeben. Anakis kannte die Grausamkeit seines Königs, aber dass dieser Mann so weit gehen würde, hätte er nie angenommen. Aber es war Krieg und sein König war in einer Gemütslage, die er sehr selten bei ihm gesehen hatte.
„Geh und suche 50 oder mehr der schönsten und kräftigsten Knaben unter dem Volk aus! Morgen Nachmittag werden wir sie den Göttern übergeben!“
Der alte Mann war gemäß seines hohen Alters zu schwach, um sich dem König zu widersetzen. Sein Amt wollte er nicht niederlegen, dafür war er schon zu lange als Priester tätig und es wäre eine große Schande für ihn gewesen. Er hatte also keine andere Wahl, als sich dem Willen seines Königs zu fügen.
„Und am besten sollen sie alle Erstgeborene sein! Wenn du sie direkt fragst und ihnen alles erzählst, werden sich die meisten wohl weigern. Daher erzähle ihnen irgendetwas Anderes! Lass dir etwas einfallen!“
Dass er selbst eines Tages in ein Verbrechen solchen Ausmaßes hineingezogen werden würde, das hätte Anakis nie gedacht. Aber wie das bei solch vielen Verbrechern vor und nach ihm so war, gehorchte er seinem Vorgesetzten. Er dachte, dass dieses Verbrechen sowieso nicht auf sein Konto gehen würde, da er es ja nicht befohlen habe.
Avanias gab einigen Soldaten den Befehl, Holzstämme herbeizuschaffen, um Belagerungstürme zu bauen. Der Bau dieser Türme sollte zwei ganze Tage in Anspruch nehmen.
Alanias hatte zwischenzeitlich die Gelegenheit, mit Avanias unter vier Augen in dessen Zelt zu sprechen. „Die Belagerung wird nicht so einfach vonstatten gehen! Wie ich schon befürchtet hatte, Avanias.“
„ Ja, tatsächlich! Sie scheinen eine große Armee innerhalb der Mauern zu haben. Wie dem auch sei, sie werden so oder so besiegt werden!“
„ Mit der Hilfe Gottes, Avanias!“
„ Mit der Hilfe Gottes! Ich trage das Tuch, dass er mir gegeben hat, immer bei mir.“
„ Leider hat er mir kein Stück seines Gewandes gegeben.“
„ Das hat er bewusst nicht getan, denke ich. Du kannst dir ein eigenes weißes Tuch nehmen und es dir umhängen. Es würde dasselbe symbolisieren. Das wäre ganz in seinem Sinne!“
„ So habe ich das noch nicht gesehen. Gut, das werde ich machen!“
„ Wie gefällt es dir hier? Bist du mit deiner Aufgabenzuteilung zufrieden?“
„ Ja, das bin ich! Aber ich würde gerne viel mehr machen. Ich würde
gerne selbst an der Front mitkämpfen!“
„Nein, wir können dich nicht entbehren! Du bist für unsere Intelligenz von enormer Bedeutung!“
„ Ich bin ein Mann wie jeder andere! Ich habe das Gefühl, dass meine jetzige Arbeit von geringer Bedeutung ist.“
„ Das trifft überhaupt nicht zu! Du bist sogar unser allerwichtigster Mann! Der Mann, der die Taktik erdenkt, ist das Haupt der Armee!“
„ Mir ist letzte Nacht eine neue Idee eingefallen.“
„ Was für eine Idee?“
„ Einige Male am Tag machen sie ein Tor am rechten Stadtflügel auf und lassen die Händler herein. So versorgen sie sich. Und da ich ja klein bin, würde ich nicht auffallen.“
Avanias verstand sofort, was Alanias da für einen neuen Plan im Kopf hatte. Er schüttelte ablehnend den Kopf. „Nein, auf gar keinen Fall! Das ist zu riskant!“
„Hör mir zu! Ich schmuggle mich da hinein und am späten Abend gehe ich wieder zum Tor und öffne es. Zu dieser Zeit lösen sie die Wachmänner ab. Unsere Männer werden sich in Distanz halten und auf mein Zeichen hin losrennen und durch das Tor in die Stadt gelangen. So können wir die Stadt einnehmen!“
„ Das ist ein raffinierter Plan und er würde vielleicht auch umsetzbar sein! Aber meinst du nicht, dass das zu gefährlich ist und, wenn du erwischt wirst, du und unsere Männer zu schnell niedergemacht werden?!“
„ Wir werden auch euch ein Zeichen geben. Den ganzen Tag über werden wir sie nicht beschießen. Erst dann, wenn wir euch das Zeichen geben, feuert ihr und lenkt sie somit ab.“
„ Wir bauen gerade die Belagerungstürme!“
„ Die sind nutzlos! Und das weißt du auch ganz genau! Wenn ihr die erste Mauer überwunden habt, was dann? Da ist noch der Graben und die zweite Mauer! Sie werden euch niedermähen!“
Avanias wandte sein Gesicht ab. Er war zum Einen beeindruckt, wie kreativ und listig Alanias war, aber Andererseits fürchtete er um das Leben dieses seines besten Freundes. „Nun gut. Wenn du es unbedingt so wünschst! Ich werde dir die
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