Avanias der Große
hielt es vor seinen Augen hoch, während um ihn herum die Erde bebte und ein unerträglich lautes Geschrei aus allen Richtungen des Schlachtfeldes kam.
Er küsste das Tuch.
Nahezu alle auf dem Schlachtfeld anwesenden Männer sollten später Zeugen für ihre Nachkommen von dem sein, was sich darauf ereignete.
Der Himmel verdunkelte sich. Ganz urplötzlich wurde es stockdunkel. Wie aus dem nichts schossen Blitze aus dem Himmel auf die Stadt herab. Einige der Blitze trafen die Söldner des Feindes, aber nicht die der Alliierten.
Die Söldner der Alliierten selbst waren auch fasziniert und zugleich überrascht über dieses Glück, das ihnen die Natur bescherte.
Es sollte nicht lange dauern, bis der Sturm sich gelegt hatte.
Die Stadt war gefallen.
Böntschakis traf in seinem Schlafgemach die Wucht des Sturmes. Er hörte die Bürger draußen laut herumschreien. Ihm war klar, dass das kein gutes Zeichen war. Ihm kam der Gedanke, seine für ihn notwendige Habe einzupacken und zu fliehen. Er zog seine Königskleider aus und zog sich ein schlichtes Gewand über.
Fast alle Räume des Palastes waren nun leer.
Für Uljana war die Zeit zum Handeln gekommen. Jetzt musste sie es tun. Sie musste den Mord an ihrer Familie sühnen. Sie versteckte einen Dolch zwischen ihren Busen unter ihrem Kleid.
Im Harem herrschte Totenstille.
Nach nicht allzu langer Zeit betraten plötzlich Kumbon und Oilef den Harem.
Die Frauen wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Sie seien nun Sklaven der neuen Herren, sagten sie zueinander.
Oilef war ein schüchterner Mann. Er begehrte Reichtümer und auch Frauen, aber im Ernst der Lage konnte er sich nicht zusammenreißen und sich das nehmen, was er so sehr begehrte.
„Ihr könnt alle gehen! Ihr seid frei!“, sagte Kumbon.
Die Frauen schauten sich verwundert gegenseitig in die Augen.
Oilef stand einen Schritt neben Kumbon und starrte ihn verächtlich schweigend an.
Nur langsam schritten die Frauen eine nach der anderen voran und begaben sich nach draußen in die Freiheit.
Uljana saß am Boden einige Schritte links neben dem Eingang. An jener Stelle waren noch Blutflecken der Leiche der blonden Ganania zu sehen. Uljana starrte diese Stelle an. Sie war tief in Gedanken versunken.
Kumbon näherte sich seiner Volksgenossin. „Was ist los mit dir? Wieso kommst du nicht? Es ist alles vorbei! Du bist jetzt frei!“
Das Mädchen hielt ihre Arme verschränkt über ihren Kopf, ihre Beine dabei angezogen. Kumbon marschierte auf sie zu und blieb direkt vor ihr stehen. Er konnte ihr Winseln hören. Er beugte sich vor und fasste sie an ihren Haaren. Sie zuckte ängstlich zusammen und hob ihren Kopf hoch und sah, dass ein Mann mit ihrer Hautfarbe vor ihr stand. Sie war verblüfft und weinte nicht mehr. Sie bezauberte Kumbon mit ihren schönen Augen. Er lächelte sie kurz an. „Dir wurde viel Unrecht angetan!“
Sie nickte und erzählte ihm dann ihre Geschichte. Oilef ertrug
diesen Kitsch nicht und war schon abgetreten.
Kumbon strich ihr einige Tränen mit der Oberfläche seiner rechten
Hand vom Gesicht. „Nie wieder sollen Tränen dein wunderschönes Gesicht ergrauen!“
Obwohl sie eine Bettsklavin seines Erzfeindes gewesen war, konnte Kumbon sich dem Charm dieser einfachen Frau aus seinem Volke nicht entziehen. Einerseits war es Liebe auf den ersten Blick, andererseits tat sie ihm sehr leid.
Er trug sie auf seinen Händen mit sich hinaus. Sie legte ihre Arme um ihn und fühlte sich geborgen.
Avanias wollte zuerst den großen Tempel von innen betrachten. Kein Mensch war mehr dort, der große Innenraum war ausgeräumt. Er schritt nach vorne und drang in das für die Palparen Allerheiligste vor. Der Stein, den sie so sehr verehrten, stand immer noch an derselben Stelle.
Plötzlich vernahm der Prinz eine leise klagende Stimme einer älteren Frau, die vor dem Hinterausgang stand. Avanias näherte sich ihr und fragte sie, was sie denn beklage. Die Frau antwortete nicht. Er fragte sie, ob ihr König ihr etwas angetan habe. Sie nickte. Avanias wollte nicht eher abtreten, bevor er erfuhr, was sich an diesem Ort ereignet hatte.
„Er hat unsere Söhne genommen und diesem Gott geopfert. Mein armer
geliebter Enkelsohn! Sie hatten uns ihre wahren Absichten nicht verraten. Mögen sie in der Unterwelt verrotten!“
„Er hat Knaben seinem Gott geopfert? Das ist ja furchtbar!“
„ Er sei auf ewig verflucht!“
„ Ich bin der neue Herrscher dieser Stadt. Wenn Ihr einen besonderen Wunsch habt,
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