Avanias der Große
Hilaria-Bergen einen Steinbock erlegt und zur Hälfte unter einander verteilt aufgegessen. Hier in diesen Wäldern gab es auch jede Art von wilden und nicht wilden Tieren, aber die Jagd war in diesen Wäldern zu schwierig, aufgrund der Dichte der Bäume.
Tief in der Nacht lag Malgarias eine Elle entfernt neben Avanias. Sie lagen gegenüber voneinander, so dass sie sich im Liegen gegenseitig anschauen konnten. Burgandias und Lamandias saßen auf einem Baumstamm auf der anderen Seite.
„ Was, denkt Ihr, ist der Sinn des Lebens?“, fragte Avanias, während er in den klaren Sternenhimmel starrte.
„ Mitten in der Nacht fragst du mich wieder einmal so etwas Kompliziertes?!“
„ Wir sind morgen da, ich denke, es liegt an der Aufregung.“
Im Unterricht damals waren Fragen solcher Art nicht gestattet, jetzt aber hatte der Schüler die Gelegenheit dazu, seinen Lehrer eben solche zu stellen, ohne von diesem gescholten zu werden.
„Ich verstehe. Jeder für sich definiert den Sinn des Lebens auf persönliche Weise! Jeder hat da eine eigene Vorstellung, mein Sohn!“
„ Ich weiß. Was ist der Mensch für Euch, Meister? Manchmal - Ihr werdet mich vielleicht für verrückt halten -, wenn ich an Menschen denke, wenn ich sie anschaue, sie betrachte, mir ihr Gesicht angucke, dann denke ich, dass der Mensch ein merkwürdiges Wesen ist. Wir sehen durch diese Augen. Man denke genauer nach. Augen sind Kugeln mit schwarzen Flecken vorne.“
„ Du denkst Zu viel, mein Sohn!“, unterbrach Malgarias ihn schroff.
„ Ja, aber es ist doch so, wie es ist! Und manchmal ist es unheimlich, und es beängstigt mich. Und dann kann ich für einige Zeit keinen Menschen mehr sehen.“
Avanias blickte nun Malgarias streng an. Er war wirklich manchmal in dieser Gemütsverfassung, dass er die ganze Welt, alle Menschen um ihn herum als Puppen ansah.
„Ach, das legt sich mit der Zeit bestimmt wieder! Du wirst älter und reifer. Der Sinn des Lebens, mein Sohn, dazu sag ich dir nicht viel, nur, dass jeder sein Leben nach seiner Bestimmung durchleben soll! Er sollte seine Pflichten erfüllen, ein gutes, seelisch befriedigendes Leben führen! Danach, nach dem Tod, kommt die Belohnung. Da bin ich mir sicher. Das ist der Sinn des Lebens für mich.“, artikulierte Malgarias, während er Avanias freundlich lächelnd anschaute.
„ Darin stimme ich mit Euch überein. Unser Leben kann nicht sinnlos sein! Es muss etwas darüber hinaus geben. Etwas nach dem Tod und vor der Geburt.“
„ Ach, ach, Avanias. Du glaubst immer noch nicht an die Götter, nicht wahr? Es gibt sie, glaub mir! Vielleicht nicht alle, aber die Hauptgötter existieren! Wer sonst erschuf den Menschen und setzte ihn hier ab? Aber du bist noch jung. Ich weiß, dass du noch orientierungslos bist. Mit der Zeit wirst du reifer und du wirst Vieles über das Leben hinzulernen.“
„ Ihr seid ein weiser Mann mit guten Menschenkenntnissen. Ich glaube nicht an die Götter, das scheint mir alles zu konstruiert! Aber ich glaube an eine höhere Macht, irgendetwas Derartiges muss es geben. Ach, am besten man macht sich nicht so oft Gedanken darüber!“
„ Das ist richtig! Das wird man aber nie ganz abstoßen können, es ist nur zu menschlich, dass ein jeder Mensch sich über den Sinn seines Lebens Gedanken macht.“
Malgarias schloss seine Augen, er mochte nicht mehr, sich mit
Avanias über dieses Thema zu unterhalten.
„ Stellt Euch mal vor, es gebe die Götter tatsächlich nicht, was wäre dann, Meister?“, fragte Avanias den Malgarias weiter aus. Er sah, dass Malgarias schon eingeschlafen war.
„ Lass den armen alten Mann doch schlafen!“, rief Lamandias dem Avanias von der anderen Seite zu.
Lamandias und Burgandias hatten nichts von der Diskussion der beiden Philosophen mitbekommen. Lamandias selbst hatte bisher großen Respekt vor Avanias und benutzte die Höflichkeitsform. Hier aber, nach einigen Tagen der gemeinsamen Reise gen Westen, war Avanias sein Freund geworden. Burgandias hingegen konnte zu keiner Zeit der Reise vergessen, dass Avanias der Thronfolger war, und er hielt dementsprechend Abstand zu ihm und sprach nur höflich mit ihm.
Avanias schlief auch ein. Die beiden anderen Männer hielten noch die ganze Nacht hindurch Wache am Feuer.
Im frühen Morgengrauen brachen die vier Männer wieder auf und ritten den ganzen Tag lang durch, ohne unterwegs irgendwo anzuhalten, nicht einmal um die Pferde für eine Weile ausruhen zu lassen.
Am späten Abend, nach der
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