Avanias der Große
der Seele sind alle Menschen gleich! Und ein Mensch ist nirgends so verhasst, wie in seiner Heimatstadt! Auch ich wurde von meinen eigenen Jüngern verraten! Der Neid und die Gier zerfressen die Menschen innerlich! Das war schon seit Anbeginn der Zeiten so!“
„ Was kann denn so gefährlich gewesen sein, das Ihr gepredigt habt, dass er Euch dafür hinrichten lässt?“
„ Ich habe nur Liebe gepredigt! Alle Menschen sollen und müssen einander lieben! Nur so hat die Menschheit eine Zukunft! Nur so wird das sinnlose Morden ein Ende haben!“
„ Liebe? Liebe ist schwierig! Es ist einfacher, zu hassen! Daher hassen sich die Menschen gegenseitig!“
„ Die Welt wird sich ändern, glaubt mir! Die Menschen sind nicht so leicht zu überzeugen, daher brauchen sie große Vorbilder! So bitte ich Euch, vergebt Eurer Tochter das, was sie Euch angetan hat! Vergebt allen, die Euch Böses antun wollen!“
„ Ihr verlangt da etwas Unmögliches von mir! Ich soll allen Menschen, auch meinen Peinigern, vergeben? So etwas hat noch nie Einer gepredigt!“
„ Euch wurde Unrecht angetan, so wie mir auch! Sie schänden Euren Körper, aber sie sollen nicht Euren Geist, Eure Seele, schänden! Sie können alles, was sie wollen, Eurem Leib antun, aber nicht Eurer Seele! Handelt nicht wie sie! Seid ein leuchtendes Beispiel für all die anderen Menschen! So werdet Ihr am Ende der Sieger sein!“
„ Ich bin tief bewegt von Euren Worten. Noch nie habe ich einen Menschen so etwas sprechen hören!“
„ Einen Menschen? Nein, er sagt, er sei ein Gott!“, sagte Magria laut, zwischen den beiden Zellen stehend. Sie stellte sich genau vor die Gitter der Zelle ihres Vaters. Sie sah die verbrannten Augen ihres Vaters. Der Anblick war schrecklich. Sogar solch ein bösartiges Mädchen wie Magria empfand Mitleid für ihren Vater, und so etwas wie Reue in jenem Moment. Sassanias hatte ihre Stimme erkannt. Er zuckte zusammen, schaute nach oben, dann wieder nach unten und verdeckte sein Gesicht in seinem Schoß, denn seine Augen brannten und taten weh, wenn er weinte.
„ Es tut mir leid, Vater! Ich wollte das alles nicht!“
Wer konnte dieser Dämonin denn noch glauben? Sassanias hatte sich die Worte des Predigers zu Herzen genommen und wollte nun seiner Botschaft folgen. „Ich vergebe dir, Tochter!“
Magria schluchzte und verdeckte mit ihrer rechten Hand ihr Gesicht. Sie ertrug den elenden Anblick ihres Vaters nicht mehr und verließ den Raum. Ihr Vater konnte das Staksen ihrer Schuhe hören, als sie davonrannte.
Dinjakis war die ganze Zeit über ruhig gewesen, so still, dass Sassanias annahm, er sei eingeschlafen. „Seid Ihr noch da? Prediger, seid Ihr noch wach? Wie ist eigentlich Euer Name?“
„Ja, ich bin noch wach! Dinjakis ist mein Name.“
„ Ihr behauptet, ein Gott zu sein? Stimmt das, was sie gesagt hat?“
Dinjakis antwortete nicht.
„Seid Ihr ein Gott?“
„ Ihr sagt es!“
Sassanias war schockiert. Der Mann in der anderen Zelle behauptete tatsächlich, ein Gott zu sein. Mit solch einem wahnsinnigen Mann hatte er sich noch nie unterhalten. „Wenn Ihr doch ein Gott seid, warum helft Ihr Euch in diesem Moment nicht selbst und befreit Euch aus diesem Kerker?“
„Ich sagte Euch schon, dass ich seit meiner Geburt dazu bestimmt bin, dieses Martyrium zu erleiden!“
„ Wenn es wahr ist, was Ihr von Euch selbst behauptet, dann könnt Ihr mir jetzt und hier das Augenlicht wiedergeben! Es wäre ein Leichtes für einen Gott! Wenn Ihr derjenige seid, dann tut es jetzt!“
Der Prediger aber antwortete nicht und machte auch keine Geräusche mehr. Sassanias fasste das als Kapitulation auf. Der Mann sprach zwar einige weise Worte, dachte der König, aber ein Gott war er
sicherlich nicht. Er konnte das nicht glauben. Zwar konnte er diesen Mann nicht sehen, aber ein Gott würde sich ganz anders anhören, stellte sich Sassanias vor. Er fiel in diesem Moment wieder in seine Depressionen von zuvor zurück und hatte wieder Selbstmitleid. Sein Herz glühte, als er wieder an all die Zeit des Leidens denken musste, die ihm noch bevorstand.
Da hörte er wieder die Schritte, dieses Mal waren es die von Männern, die der Wächter. Sie blieben vor Dinjakis' Zelle stehen. Einer der Männer lachte schelmisch. „Jetzt kommt dein Ende.“
Avanias hatte nicht erwartet, gleich sofort bei seiner Ankunft in Avania, Bandrakis anzutreffen. Bandrakis war einer der zwei Oberbefehlshaber der palparischen Garnison in Alvestia. Einst hatte er
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