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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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werdenden Garten, bis die rote Glut des Brenners wie ein feuriger Bruder der blassen Sterne leuchtete. Nachdem Ninian die erste Füllung in stummem Genuss geraucht hatte, bereitete sie eine zweite und fragte:
    »Du lebst gewiss schon lange hier, nicht wahr Tidis?«
    »Oh, ja, schon lange, lange,« erwiderte die alte Frau mit sonderbarer Betonung und schaukelte sachte hin und her.
    »Dann kennst du diese Gegend sehr gut?«
    »Wie meine eigene Küche, jeden Baum und jeden Stein«, sie seufzte, als sei sie dieser Bekanntschaft überdrüssig. Ninian sog an ihrem Mundstück und das Wasser blubberte leise.
    »In den Stromschnellen liegt ein Stein, ein schwarzer, glatter Felsen knapp unter dem Wasserspiegel. Unser Boot ist daran hängengeblieben«, sie zögerte, Tidis wusste nichts von ihrer Verbundenheit mit der Erde. »Er schien mir fremdartig«, fuhr sie fort, »ganz anders als das übrige Gestein hier. Wir mussten aussteigen, um das Boot wieder freizukriegen.« Sie schauderte in der Erinnerung.
    »Du bist sehr aufmerksam, wenn dir das aufgefallen ist.«
    Einen Augenblick lang verstummte das Knarren des Schaukelstuhls. Der schwere Duft der Kräuter zwischen den Gemüsebeeten vermischte sich mit dem scharfen Geruch des Bilharauches. Aus der Dunkelheit unter den Bäumen löste sich der helle Schatten einer Eule und schwebte lautlos über den Garten.
    »Aber du hast recht«, brach Tidis das Schweigen. »Er ist fremdartig, weil er vom Himmel gefallen ist. Ein Stern ist auf die Erde gestürzt und wo er aufgetroffen ist, entstand der Ouse-See.«
    Die Hängematte schwankte sanft, als Jermyn sich aufrichtete.
    »Vitalonga hat auch davon erzählt. Erinnerst du dich an die Kette aus dem Brautschatz, die du nicht anfassen konntest, Ninian? Das Silber, aus dem sie geschmiedet war, stammte von diesem Stern.«
    Das Knarren verstummte. Tidis beugte sich interessiert vor.
    »Du konntest es nicht berühren, Mädchen? Das ist eigentümlich. Aber es stimmt, es dauerte viele hundert Jahre, bevor das Loch sich mit Wasser füllte. Die Männer, die vom Meer gekommen waren, stiegen vorher hinein und holten die Brocken heraus, die von dem Stern übriggeblieben waren, nachdem er zerborsten war.«
    Sie schaukelte wieder. Jermyn setzte sich bequem zurecht und ließ den gesunden Fuß aus der Hängematte baumeln.
    »Erzähl weiter.«
    Tidis lachte leise.
    »Wollt ihr es hören? Damals schien es, als ginge die Welt unter. Der Stern stand tagelang flammend am Himmel, selbst bei hellem Sonnenschein war er sichtbar. Und er wuchs, er wurde größer und größer. Kurz bevor er einschlug, begann ein furchtbarer Sturm zu toben, Erde und Sand wirbelten so hoch auf, dass die Sonne nicht mehr zu sehen war, und das Dröhnen des Einschlags war noch jenseits des Gebirges zu hören. Es dauerte viele Mondläufe, bis sich der Staub gelegt hatte und die riesige Grube enthüllte, die der Stern geschlagen hatte. Er war wohl nicht senkrecht vom Himmel gefallen, sondern schräg, wie der Speer geschleudert wird. Deshalb ist die Grube geformt wie ein Auge, mit einem kurzen, runden und einem langgezogenen, spitzen Ende. Als sie sich allmählich mit dem Wasser der Gebirgsbäche und dem Wasser, das aus den Tiefen der Erde aufstieg, füllte, nannten die Alten diesen See Okulos, den Augensee, da er von den Bergen aus wie ein schimmerndes Auge aussah. Später wurde daraus Ouse-See. Als der Stern über die Ebene raste, verlor er auf dem Weg schon Teile seines Körpers und südlich des Sees findet man sie bis heute. Es gilt als besonders glückverheißend, einen solchen glänzenden Stein zu finden, alle Kinder sind ständig auf der Suche danach. Im Gegensatz zu dem hellen Sand- und Kalkstein, aus dem das Land hier gebildet ist, ist dieser Stein schwarz wie die Nacht, aus der er kam. Das Herz des Sterns lag in viele Stücke zerbrochen, lange auf dem Grund der Grube. Am Anfang glühte es weiß, dann rot und als es sich schließlich abkühlte, traten silberne Adern hervor. Das muss die Männer von jenseits des Meeres angezogen haben. Ihr Anführer genoss die Gunst einer Göttin und aus dem größten Teil des Silbers schufen sie ein Bild von ihr, das sie in ihrem größten Tempel verehrten. Sie gründeten die Große Stadt und sie und ihre Nachkommen beherrschten die Welt. Ihnen erschien es lange, aber in Wirklichkeit war es nur ein Augenblick.«
    Tidis schwieg und für eine Weile blieb es still.
    »Von der Göttin und ihrem Geliebten habe ich gelesen«, ließ Ninian sich vernehmen,

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