AvaNinian – Zweites Buch
massiger als alle Hähne, die bisher gekämpft hatten. Rötliche Federn sprenkelten die breite Brust wie Blutstropfen. Der schlangenwendige Hals trug einen Kopf mit Raubvogelaugen, ein starker, gekrümmter Schnabel ruckte in blitzschnellen Hieben vor. Die Halskrause fehlte und statt des roten Hautlappens krönte ein horniger Auswuchs den Scheitel des Vogels.
»Das is überhaupt kein Hähnerchen nich, das is ’n Hühnerhabicht«, protestierte Knots schrill und deutete anklagend auf den fremdartigen Vogel. Auch die anderen Männer musterten zweifelnd das Tier, das sich in der Schlinge wand. Spacek plusterte sich auf.
»Da kannste einen drauf lassen«, keifte er, »dass das ’n Hahn is, Männeken, un wenn de noch mal so was sagst, mach ich ’nen Kapaun aus dir. Los, sag dein Sprüchlein, du Sohn einer Hündin!«
Der Schwarze nickte heftig und fletschte die Zähne.
»Is Hahn, graue Wüstenhahn von Markt in Tris, is guut Kämpfer!«
»Na, das glaub ich auf’s Wort«, knurrte Babitt und drückte den Käfig, in dem das Schätzchen tobte, an sich. Der graue war mindestens doppelt so groß und schwer wie sein goldenes Hähnchen und wenn es nach ihm ging, würde es keinen Kampf geben. Aber es ging nicht nur nach ihm. Jermyn stand mit unbeweglichem Gesicht da, seine Finger trommelten vielsagend auf dem Geldgürtel. Er würde gewiss nicht auf seine Wette verzichten.
Meister Gallus, Vorsteher der Geflügelhändlerzunft und Kenner allen Federviehs, betrachtete prüfend den grauen Vogel. Die Männer warteten schweigend, Gallus’ Wort war Gesetz in diesem Hof. Endlich rückte er seine Kappe zurecht, die mit ihren roten Zaddeln einem Hahnenkamm nicht unähnlich war, und verkündete sein Urteil.
»Der Schwarze hat recht, ich kenn die Sorte von den Märkten im Süden. Das is ein Hahn, also darf er kämpfen. Aber du bist ein Gauner, Spacek, und das is das letzte Mal, dass hier ein Vogel für dich antritt!«
Spacek tat, als mache ihm dieser Spruch nichts. Er gab dem Schwarzen die Stange und stemmte die Arme in die Seiten.
»Na, wer wagt’s?«, polterte er, »ich verdopple meinen Einsatz, wenn einer von euch meinen Vogel schlägt!«
Dieses Angebot verführte etliche Männer, ihre Hähne gegen den Grauen in die Arena zu schicken. Aber keinem gelang es, Spacek beim Wort zu nehmen, kein Vogel, nicht einmal der Arraktrinker, konnte gegen den Hahn aus den Südreichen bestehen und zähneknirschend sahen sie zu, wie Spacek ihre Einsätze einstrich. Schließlich fand sich kein Gegner mehr und er wandte sich grinsend an Jermyn.
»Na, was is, Bruder? Du hast gewettet, dass das Schätzchen meine Vögel dreimal hintereinander besiegt, stimmst’s? Zweimal hat’s der kleine Teufel geschafft, fehlt noch das letzte Mal. Oder willst du lieber aufgeben? Gar nich kämpfen gilt natürlich auch als verloren!«
Er zwinkerte verschlagen. Babitt hätte gerne verzichtet. Es war keine Schande, einen Kampf zu vermeiden, der nichts anderes war als ein Abschlachten. An Mules ängstlichem Gesicht sah er, dass der große Mann genauso dachte. Knots schien hin- und hergerissen, wahrscheinlich hatte er sich heimlich an Jermyns Wette angehängt. Für das Leben ihres Lieblingshahnes würde er auf sein Geld verzichten, aber leider war es nicht seine Wette ...
»Du quatschst zuviel, Spacek«, sagte Jermyn nachlässig, »dein Pech, wenn sich dein Riesenvogel müde gekämpft hat. Die Wette gilt und es geht um Gold! Ach ja, und ich bin nicht dein Bruder, Schwachkopf!«
Spacek ächzte, als ihm der Schmerz, blitzschnell wie der Sporenhieb eines Hahnes, durch die Stirn fuhr. Böse wandte er sich an Babitt.
»Was sagst du, Babitt? Schließlich is es dein Vogel!«
In diesem Moment reckte sich der graue Hahn, den der Schwarze in der Arena festhielt, und krähte herausfordernd. Das Goldstück, das sich schon die ganze Zeit wie rasend gebärdete, schmetterte seine helle, zornige Antwort und Babitt erkannte, dass er gegen zwei rote Hitzköpfe nichts ausrichten konnte. Wortlos reichte er den Käfig dem unglücklichen Mule.
Während Mule und Knots dem kleinen Hahn die Halskrause stutzten, ohne auf die üblen Schnabelhiebe zu achten, die er ihnen versetzte, legten Jermyn und Spacek die Bedingungen der Wette vor Meister Gallus fest. Unterlegen war der, dessen Hahn zuerst bewegungsunfähig war oder starb. Waren sie beide zu verletzt um weiterzukämpfen, hatte Spacek die Wette gewonnen, denn Jermyn hatte auf dreimaligen Sieg gesetzt. Babitt hockte vor der Plattform und
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