AvaNinian – Zweites Buch
bedeckten Schädel. Donovan begann zu singen.
»Mit welchem Sturm mir Wetter, Wind und Regen
Beschwerlich meinen Gang zu machen weiß!
Wie stellen Schneegestöber, Frost und Eis
Sich meines Weges Wunsch und Ziel entgegen!
Mich kann des Himmels Wüten nicht erregen,
Geb guten Mut nicht schlechtem Wetter preis;
Es flammt die Glut im Herzen mir so heiß,
Dass ich nicht Kälte spür auf meinen Wegen.
Der Liebe Herrin wandert dicht an meiner Seite,
Sie weist die Straße mir und sorgt und lenkt,
Dass sie mich gradenwegs ans Ziel geleite
Und meines Mädchens holde Gunst mir schenkt.
Drauf ihrer Liebe Glut erwärmt mir wieder
Das Blut und die vom Frost erstarrten Glieder!«
Seine Stimme war warm, volltönend und männlicher, als man erwartet hätte. Er sang so gut, wie er spielte, und die Fürstin legte ihre Hand an die Wange und seufzte sehnsüchtig, während der Patriarch sich sogar über die Augen fuhr. Mit einem schmelzenden Akkord endete das Lied und Donovan blieb einen Augenblick sitzen ohne sich zu rühren, als lausche er dem Nachhall der Musik in seinem Inneren.
Duquesne hatte das Stück erkannt, es war eines der neuen Gedichte, mit denen die müßigen jungen Leute die Zeit totschlugen. Man hörte sie zu Dutzenden in den Badehäusern, auf ihren Festen und überall dort, wo sie herumlungerten. Nutzloser Zeitvertreib, doch wenn er sie beschäftigte und von unsinnigerem Treiben abhielt, störte er ihn nicht weiter. Nun aber konnte er seine Ungeduld kaum bezähmen.
Donovan hatte es nicht eilig. Liebevoll, als wäre es ein kleines Kind, schlug er sein Instrument in ein Tuch und legte es behutsam in einen mit Perlmutt eingelegten Kasten. Erst nachdem er es zu seiner Zufriedenheit verstaut hatte, sah er auf. Er zuckte zusammen, erhob sich rasch und trat auf Duquesne zu.
»Ich grüße Euch, Hauptmann. Verzeiht, dass ich Euch über meinem Lautenspiel nicht sogleich bemerkte, aber ich neige dazu, über der Musik meine Umgebung zu vergessen!« Wie immer errötete er, aber im Übrigen hatte er sich besser in der Gewalt als früher. Die Worte kamen ohne zu stocken und er neigte den Kopf so, wie er es vor jedem anderen jungen Edlen getan hätte. Der Gruß war weder unverschämt noch unterwürfig, dennoch ärgerte Duquesne sich beinahe mehr darüber als über den Widerwillen der Höflinge. Er hielt Donovan für einen Schwächling und verachtete ihn, aber sein Gesichtsausdruck blieb verbindlich und er grüßte höflich zurück.
Der Patriarch strahlte seinen rechtmäßigen Sohn an und winkte ihn zu sich.
»Komm her, Donovan, komm zu mir, zieh dir einen Stuhl her. Was sagst du, Duquesne, ist er nicht ein Meister auf der Laute? Selbst mir kommen manchmal die Tränen und das, wo ich eigentlich nur noch wegen dieses verdammten Fußes heule.«
Der alte Mann schlug ungeduldig auf die Pelzdecke, die sein krankes Bein verhüllte. Donovan trat zu ihm, setzte sich aber nicht, sondern blieb an seiner Armlehne stehen. Er behandelte Duquesne immer mit ausgesuchter Höflichkeit, die diesen mehr erboste, als es Geringschätzigkeit getan hätte.
»Nun, was hast du zu berichten, Duquesne? Ich nehme an, du fandest Battiste entgegenkommend und beflissen? Ein guter Mann und mir treu ergeben, nicht wahr? Schenk noch ein wenig ein, meine Liebe, diese Hitze dörrt meine Kehle aus.«
Der Patriarch deutete auf den Weinkelch, der vor ihm auf einem kleinen Tisch stand. Nur zögernd griff die Fürstin nach der Karaffe.
»Seid Ihr sicher, lieber Herr? Die Heilkundigen gaben genaue Anweisungen ...«
»Ach, zum Teufel, die schwatzen den lieben langen Tag und ihr Geschwätz bereitet mir mehr Unbehagen als mein Bein. Schenk ein, Isabeau!«
Die Fürstin zuckte die zarten Schultern und füllte gehorsam den Kelch mit dem dunklen Wein, der im Kerzenlicht blutrot funkelte wie das Juwel auf ihrer Stirn, aber Duquesne entging nicht die feine Falte zwischen den gezupften Brauen.
Er unterdrückte ein Lächeln.
Die schöne Isabeau mochte sich wohl Sorgen um die Gesundheit ihres Gatten machen. Ihre Stellung hing ganz von ihm ab und wenn sie nun auch an seiner Seite saß und niemand es ihr gegenüber an Ehrerbietung fehlen ließ, so hielt nach seinem Tod doch keine mächtige Familie die Hand über das blonde Haupt. Sie hatte es verstanden, sich mit Donovan gut zu stellen, aber wie weit würde sein Wohlwollen reichen, wenn er sich selbst eine Fürstin gewählt hatte? Nach dem Willen des Patriarchen die standesbewusste Tochter eines alten
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