Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
Zwischen Brescia und Bologna ist es daher klüger, keine Lobeshymne auf den Süden zu singen. Trotz allem Lokalpatriotismus eint die Italiener eine Leidenschaft: Sie verreisen am liebsten im eigenen Land. Ob zum Skifahren in Cortina d’Ampezzo oder Sonnenbaden nach Sardinien, ein Ferienhaus zu besitzen hat in Italien Tradition. Aus diesem Grund treffen wir die Italiener leider auch viel seltener in den inernationalen Urlaubsregionen. Zwar mag der Italiener auch Fern- und Städtereisen – aber im Allgemeinen besinnt er sich auf sein Heimatland und die alte Tradition. Das gilt besonders in Zeiten der Krise. Wenn Sie also einen Italiener für Ihre Auszeit vom Alltag suchen, dann werden Sie selbst zur Urlaubszeit am ehesten in Italien fündig.
Avanti Amore! Ihre Dana.
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5. T orino
Getränk: Aprikosensaft
Freund des Tages: Natale, der barbiere
Place to be: Die ehemalige Fiat-Test-Rennstrecke auf dem Dach der Lingotto-Fabrik
Erkenntnis: Nicht nur der italienische Mann bringt mich zum Beben
S ei pazza! Du spinnst doch!« Eine italienische Männerstimme reißt mich unsanft aus den Träumen. Trotz meines schnarchenden Zimmernachbarn habe ich fantastisch geschlafen, doch das röhrende Gebrüll weckt mich unsanft. Was ist denn da los?
» Questo è tipico! Das ist mal wieder typisch!«, brüllt eine Frau zurück. Noch etwas benommen, stehe ich auf und laufe zum Fenster hinüber. Das Gezeter wird lauter, offenbar streitet sich ein Pärchen. Die Stimmen kommen vom Berghang, eindeutig aus dem Haus von Miuccia Prada, ich kann aber niemanden entdecken, nur hören. Die unsichtbaren Streithähne sprechen gleichzeitig und so schnell, dass ich nicht genau verstehen kann, worum es geht. Wenige Minuten später bricht der Streit abrupt ab. Dann ist es still, ich höre, wie eine Tür kräftig ins Schloss geschlagen wird. Etwas ratlos blicke ich den Hang hinauf. Kurz darauf sehe ich, wie ein Mann mittleren Alters aus der Tür tritt und wütend die Terrasse überquert, während er mit den Händen wild in der Luft herumfuchtelt. Er murmelt etwas vor sich hin, dann verschwindet er wieder im Haus. Ich beobachte noch ein paar Minuten lang das Geschehen, aber im casa Prada rührt sich nichts mehr. Ob Miuccia Prada herself einen Streit mit ihrem Gatten hatte? In Deutschland jedenfalls wäre bei dieser Lautstärke bereits dasalbe Dorf zusammengelaufen. Aber nach allem, was ich bisher gehört habe, scheint eine intensive Streitkultur in Italien zum guten Ton zu gehören. Nicht nur der romantische Annäherungsprozess, sondern auch die späteren ehelichen Auseinandersetzungen werden offenbar von großen Gesten begleitet. Da ich nicht mehr schlafen kann, packe ich meine Sachen, frühstücke und verlasse die pensione. Als ich Richtung Dorfplatz laufe, sehe ich, dass der Streithahn von vorhin seelenruhig mit seiner Zeitung auf der Terrasse sitzt. Typisch italienisch, erst kracht’s ordentlich, und kurz darauf ist alles so, als sei nichts gewesen. Eigentlich gefallen mir die italienische Leidenschaft und die emotionalen Ausbrüche ganz gut. In Deutschland könnte man manchmal meinen, wir hätten es verlernt, Emotionen zu zeigen, nicht umsonst gelten die deutschen Frauen in Italien immer noch als kühle Blondinen. Ab und an mal zu sagen, was Sache ist, entspricht eher meinem Wesen. Auch aus dieser Perspektive ist ein italienischer Mann vielleicht tatsächlich nicht verkehrt für mich.
Mein nächstes Reiseziel auf der von Carla abgesteckten Route ist Turin. Bis auf einzelne Ausnahmen im Rahmen meiner Suche nach Mario bewege ich mich konsequent von Norden nach Süden und zurück und klappere dabei sowohl Großstädte wie Mailand, Rom oder Neapel ab, als auch Turin, Venedig oder die Amalfiküste. Und wenn alles gut läuft, führt mich meine Grand Tour sogar bis ganz in den Süden nach Sizilien, wo ich hoffentlich meine Jugendliebe Mario treffe. Vor mir liegen sechs Wochen an den schönsten Plätzen Italiens. Torino gilt allerdings nicht gerade als Reiseziel Nummer eins unter den italienischen Städten. Während sich in Mailand, Rom und Florenz die Touristen drängen, hört man über Turin kaum jemanden begeistert sagen, dass er seinen Urlaub dort verbracht hat. Die Stadt steht allenfalls für ihren berühmten Fußballverein Juventus Turin, für Fiat oder die olympischen Winterspiele.
Auch mich kann Turin auf den ersten Blick nicht davon übereugen, dass es hier, abgesehen von diesen drei Punkten, noch mehr zu entdecken gibt. Ich
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