Axis
Seite und schaltete die Innenbeleuchtung ein.
Das Flugzeug stand an seinem Platz. Seine zweimotorige Skyrex. Lise erkannte sie wieder – obwohl es schien, als ob es Jahre her war.
Sie und Diane verschwanden in der Personaltoilette, während Turk die Maschine startfertig machte. Als Lise wiederkam, fand sie ihn in hitziger Diskussion mit einem Wachmann. Der Uniformierte war klein, hatte schüttere Haare, und ihm war sichtlich unwohl zumute. »Ich muss Mr. Arundji verständigen«, sagte er, »das weißt du, Turk.«
»Lass mir ein paar Minuten Zeit, mehr verlang ich nicht. Hab ich nicht genug Runden in den letzten Jahren ausgegeben, um mir das zu verdienen, Mann?«
»Ich sage nur, dass das hier nicht erlaubt ist.«
»Fünfzehn Minuten. Dann kannst du verständigen, wen du willst.«
»Ich habe dich informiert. Niemand kann sagen, dass ich dir das habe durchgehen lassen.«
»Niemand wird so etwas sagen.«
»Zehn Minuten, Turk.«
Der Wachmann wandte sich um und ging weg.
Früher, sagte Turk, war in Äquatoria dort ein Flugplatz, wo man eine Landebahn anlegen konnte. Eine viersitzige Propellermaschine brachte einen an Orte, zu denen man sonst nicht kam, und niemand machte sich Gedanken über Flugpläne und Passagierlisten. Doch unter dem Druck der Provisorischen Regierung und der großen kommerziellen Fluggesellschaften hatte sich das geändert. Kleinen Flugplätzen wie dem Arundji würde der Garaus gemacht, früher oder später. Schon jetzt, so Turk, war es nicht mehr unbedingt legal, nach Betriebsschluss von einem eigentlich geschlossenen Feld aus zu starten. Vermutlich kostete es ihn seine Lizenz. Aber er hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren.
Er steuerte das Flugzeug auf eine leere Rollbahn.
Dies, dachte Lise, war Turk bei der Tätigkeit, die ihm am meisten lag: die Schuhe anziehen und sich verabschieden.
Er glaubte an die erlösende Kraft ferner Horizonte – ein Glaube, den zu teilen sie sich nicht entschließen konnte.
Das Flugzeug schaukelte wie ein Drachen, als es abhob, die riesigen Propeller trieben es auf die mondbeschienenen Berge zu, der Motor schnurrte. Diane spähte aus dem Fenster. »Wie viel leiser diese Dinger doch sind als früher – oh, vor Jahren, vor Jahren«, murmelte sie.
Lise sah, wie sich die Küstenlinie nach Steuerbord neigte und der ferne Lichtfleck – Port Magellan – kleiner wurde. Sie wartete darauf, dass Turk etwas sagte, sich vielleicht sogar entschuldigte, aber er blieb stumm. Nur einmal deutete er abrupt nach oben, und als Lise hochblickte, sah sie den glühenden Schweif einer Sternschnuppe über die Berge hinweg in die westliche Wüste blitzen.
14
Das Bild, das am Morgen aus seiner Mailbox kam, traf Brian Gately völlig unvorbereitet. Es rief eine äußerst unangenehme Erinnerung wach.
Im dreizehnten Sommer seines Lebens hatte Brian Freiwilligenarbeit bei der Episkopalischen Kirche geleistet, der seine Eltern angehörten. Er war als Teenager nicht besonders fromm gewesen – dogmatische Fragen verwirrten ihn, die Bibelstunden mied er –, doch die Kirche, die Institution ebenso wie das Gebäude, in dem die Gottesdienste stattfanden, besaß eine Qualität, für die er später den Begriff »Gravitas« fand. Sie setzte den Dingen eine vernünftige Grenze. Aus diesem Grund gingen seine Eltern, die die ökonomischen und religiösen Ungewissheiten des Spins durchlebt hatten, jede Woche dorthin, aus diesem Grund sprach sie auch Brian an. Dazu kamen der Kiefernholzgeruch der neu erbauten Kapelle und das Farbenspiel, das entstand, wenn das Morgenlicht durch die Buntglasfenster fiel. Also hatte er sich für den Sommerdienst gemeldet und etliche verschlafene Tage damit verbracht, die Kapelle zu fegen, die Türen für ältere Gemeindemitglieder zu öffnen und Besorgungen für den Pastor oder den Chorleiter zu machen. Mitte August ging es dann darum, beim Aufbau der Tische für das alljährliche Picknick zu helfen.
In dem Vorort, in dem Brian lebte, gab es eine Reihe gepflegter Parks und bewaldeter Senken. Das Kirchenpicknick – eine so altehrwürdige Institution, dass schon der bloße Name eine gewisse Pferdekutschenaura verströmte – wurde im größten dieser Parks veranstaltet. Natürlich war es mehr als nur ein Picknick, nämlich – dem Handzettel im Gemeindebrief zufolge – ein »Tag familiärer Gemeinschaft«, und es waren jede Menge Familien da, mit denen man diese Gemeinschaft praktizieren konnte, drei Generationen in manchen Fällen. Brian hatte
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