AZRAEL
irgend etwas hatte ihn getroffen, danach kam wieder eine Lücke, die mit vagen, aber zusammenhanglosen Bildern und Empfindungen gefüllt war. Dann der Krankenwagen. Er hatte nicht gewollt, daß man ihn hineinlegte, sich zugleich aber auch nicht wirklich dagegen wehren wollen. Wieder eine Lücke: ein Blackout, das diesmal seine Erinnerungen betraf und total war. Das nächste, woran er sich erinnerte - daran aber sehr klar -, war das Krankenhaus gewesen, in dem er das erste Mal aufgewacht war. Anders als dies ein ganz normales Krankenhaus mit einem ganz normalen Bett und ganz normalem Personal. Eine Schwester war gekommen und hatte ihm zu trinken gebracht, und danach...
Ja, danach hatte er verlangt, mit seiner Frau telefonieren zu dürfen. Er kannte die Vorschriften. Sicherlich hatte man Angelika längst darüber informiert, daß er einen Unfall (Unfall?) gehabt hatte und ins Krankenhaus gebracht worden war, und sie würde sich Sorgen machen. Er mußte anrufen und sie beruhigen. Aber statt eines Telefons war ein Arzt in seinem Zimmer erschienen, und statt ihn zu entlassen, hatte er ihm mit geteilt, daß noch einige Untersuchungen nötig seien. Er hatte nicht protestiert. Eine weitere Lektion, die er schon sehr früh gelernt hatte, war, daß es keinen Sinn hatte, sich mit Ärzten zu streiten. Sie hatten meistens recht, und wenn schon nicht das, waren sie doch fast immer in der stärkeren Position. Er hatte nicht einmal gefragt, welche Untersuchungen und warum, sondern sich in sein Schicksal gefügt und nur darum gebeten, daß man seine Frau benachrichtigte und ihr miteilte, wo er war und daß ihm nichts Ernstes fehlte. Danach hatte der Arzt ihm eine Spritze gegeben, und er war eingeschlafen.
Das Mittel hatte nicht richtig gewirkt, oder etwas in ihm hatte sich gegen seine Wirkung gewehrt, denn er war schon nach kurzem wieder aufgewacht und hatte sich in einem Dämmerzustand zwischen Schlafen und Wachen befunden. Sein Bewußtsein war ständig von der einen Seite der Grenze auf die andere hinüber und wieder zurück geglitten, so daß er in Bruchstücken mitbekommen hatte, daß man ihn aus dem Zimmer und einige Augenblicke später in einen Krankenwagen brachte, der ohne Blaulicht und Sirene, aber trotzdem sehr schnell losgefahren war. Da hatte er das erste Mal Angst bekommen. Er war nicht verletzt, er hatte keine Schmerzen, u nd mit Ausnahme seiner Benommenheit - die mit großer Wahrscheinlichkeit an der Spritze lag, die er bekommen hatte - fühlte er sich gut. Aber warum brachte man ihn dann weg? Und wohin?
Seitdem war er hier, in diesem unheimlichen Zimmer. Ein paarmal waren Männer in weißen Hosen und kurzärmeligen weißen Jacken gekommen, um nach ihm zu sehen oder eine Nadel in seinen Arm zu stechen, und das war alles, was er wußte.
Hansen richtete sich weiter auf und atmete ein paarmal bewußt tief ein und aus, um das leise Gefühl der Übelkeit zu bekämpfen, das sich in seinem Magen ausgebreitet hatte. Sein Blick suchte das starre Kameraauge über der Tür und fixierte es lange genug, damit er sicher war, daß, wer immer den dazugehörigen Monitor auf der anderen Seite beobachtete, es auch bemerkt hatte.
»Ich will mit einem Arzt sprechen«, sagte er, nicht sehr laut, aber mit schon fast überdeutlicher Betonung und allem Nachdruck, den er in die Worte legen konnte. »Hören Sie? Ich ve r lange, sofort mit jemandem zu reden, der mir sagt, was hier los ist.«
Natürlich bekam er keine Antwort. Er konnte nirgendwo einen Lautsprecher entdecken, aber wahrscheinlich hätte er auch keine bekommen, hätte es einen gegeben. Es spielte keine Rolle. Seine Worte waren mit Sicherheit gehört worden. Wer immer sich solche Mühe mit ihm gab, würde die Videokamera dort über der Tür nicht ausgeschaltet lassen. Und bei a llen Ängsten, die ihn peinigten, hatte er doch immer noch Vertrauen in die Wissenschaft und die Ärzte. Er war zornig, daß ihm niemand etwas gesagt hatte, daß man ihm Spritzen gab, ohne ihm zu erklären, warum, und ihm ein einfaches Telefongespräch mit seiner Frau verweigerte, aber er unterstellte ihnen -wer immer sie waren - trotzdem noch immer die besten Absichten. Beschweren konnte er sich später, und das würde er auch hin, aber jetzt galt es erst einmal, sich über seine Situation Klarheit zu verschaffen.
Zeit verstrich. Hansen blieb aufrecht und reglos auf der Bettkante sitzen und bemühte sich auch, seine Hände und sein Gesicht unter Kontrolle zu halten, denn ihm war klar, daß er
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