Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
Himmel.
Seine volle, dunkle Stimme übertönte sogar den Sturm, als er brüllte: »Götter, hört mich an! Ich – der Fürst der Versunkenen – spreche zuEuch! Die Prophezeiung erfüllt sich in mir – gebt mir die Kraft, die Welt zu beherrschen!«
Er reckte den Arm in die Höhe und mit ihm den Dreizack. Sechs Fontänen sprühten um ihn herum nach oben.
»Wasser aller Meere – sammelt euch!«, befahl er nun.
Jetzt ist alles verloren.
Erst tat sich gar nichts, der Sturm wütete wie bisher, doch dann, ganz plötzlich und unerwartet, fühlte ich einen riesigen Sog an meinen Füßen. Er war eisern, ihm war nicht zu widerstehen, voller Kraft und Gewalt.
»Ashlyn, wir müssen hier weg! Es ist zu spät, um hier weiterzukämpfen!« River wies in Richtung des Strandes. »Los!«
»Er hat recht! Wir können hier nichts mehr ausrichten!« Alcatraz war plötzlich wieder neben mir.
Wir tauchten gemeinsam unter und schwammen in Richtung des Ufers, doch die Strömung, die uns nach hinten saugte, war zu stark. Viel zu stark.
Beinschlag um Beinschlag, Armzug um Armzug, kämpften wir uns vorwärts, versuchten, standhaft zu bleiben und nur stromlinienförmig vorwärtszukommen. Hinter mir sah ich einige Skalven, die sich mit uns auf den Rückweg machten. Doch nicht alle schafften es. Einer nach dem anderen wurde von der riesigen Welle, die Alastair erschuf und auf deren Krone er stand, angezogen und verschwand mit stummem Schreien in ihr.
Auch wenn Marianer normalerweise Wind und Wellen trotzten – ich wusste, dass sie es nicht überleben konnten. Sie wurden von den Wassermassen zerfetzt.
Ohne auf die Warnungen von River zu achten, tauchte ich wieder auf und wagte einen Blick zurück.
Die Welle war mindestens fünfzig Meter hoch und wuchs immer noch mit beängstigender Geschwindigkeit. Alastair selbst verschwand nahezu in den schwarzen Wellen, nur der goldene Dreizack schimmerte in den spärlichen Lichtreflexen, die es noch gab. Ein Schrei ertönte. Er war nicht menschlich. Ich blickte nach oben und sah einen Schwarm von tausend Vögeln, die alle vom Meer in Richtung Land flogen. Sie waren in Panik aufgelöst. Das Geschrei ihrer gebogenen Diamantschnäbel traf mich wie ein drohendes Urteil über unser Schicksal. Der Himmel wurde immer dunkler.
Endlich erreichten wir den Strand. Dort, wo normalerweise noch dreihundert Meter Meer war, war nun nur noch Strand – Strand, Steine und Pflanzen.
Von dem dort seichten Gewässer entlassen, robbten wir auf allen vieren vorwärts, bis unsere Muskeln wieder stark genug waren, dass wir uns erheben konnte.
Ich lehnte mich erschöpft an River, als wir uns zum offenen Meer umdrehten.
Das schwarze Band hatte sich aus Rivers Haar gelöst. Mein Kleid war noch fransiger als zuvor. Selbst Alcatraz, der schon vorher wie ein abgekämpfter Krieger ausgesehen hatte, war nun praktisch vollkommen zerstört. Wir alle hatten Wunden, die nicht aufhören wollten zu bluten.
»Wie viel Zeit bleibt uns noch?«, fragte ich atemlos.
Alcatraz sah mich nicht an.
»Vielleicht eine Stunde.« Er schluckte. »Oder weniger.«
Eine Stunde! Eine Stunde bis zum Untergang der Welt! Die Sintflut stand bevor, und es gab keine Arche, auf die wir fliehen konnten, kein Paradies, um all die unschuldigen Menschen zu retten. Wir waren auf uns allein gestellt.
»Dann dürfen wir keine Zeit verlieren!«, ergriff River die Initiative. »Alle Erdenbeschwörer müssen versuchen, das Land so zu formen, dass es möglicherweise dieser Welle standhält.«
»Das ist unmöglich«, murmelte Alcatraz.
»Versucht es wenigstens! Ich gehe und hole den Dreizack zurück. Irgendwie.«
Er machte Anstalten, sofort wieder ins schäumende Meer zu springen, doch ich hielt ihn hastig am Arm fest. »Das ist reiner Selbstmord, River. Du wirst diesen Strudel nicht überleben, wenn du wieder ins Wasser gehst.«
»Was sollen wir dann tun?«
»Du bist ein Erdenbeschwörer, River. Vielleicht der Mächtigste von allen. Die Sense reagiert auf dich – nutze du sie, ich kümmere mich um Alastair und den Dreizack. Als Wasserflüsterer habe ich es da einfacher.«
»Ich lasse dich nicht allein zurückgehen!« Er packte mich an den Schultern und schüttelte mich leicht. »Das ist viel zu gefährlich!«
Ich umschlang seinen Nacken und presste meine Lippen auf die seinen, dann lehnten wir wieder unsere Stirnen aneinander.
»Ich werde nicht allein sein. Ich habe die Kraft, die die Götter mir gegeben haben – und die Erinnerungen an uns.«
Er sah
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