Azurblaue Gewalt (Carla, John und Franklyn)
nicht von der Stelle“, stellte Sally fest. „Vielleicht ist es ein Hubschrauber, der in großer Entfernung fliegt und seine Scheinwerfer eingeschaltet hat. Wenn er auf der Stelle fliegt, könnte er das Licht verursachen.“
„Nein, es bewegt sich. Seht doch mal!“, sagte Sarah und staunte. Sie hatte den Mund weit offen stehen, denn so etwas Ungewöhnliches war ihr fremd.
Das bläuliche Leuchten sah aus wie Wolken, bewegte sich aber zu unregelmäßig und zu schnell. Wolken schieden aus, denn sie zogen nicht so rasant über den Himmel, vor allem dann nicht, wenn man nicht einen Hauch von Luftbewegung vernehmen konnte. Es bewegte sich nicht kontinuierlich in eine Richtung, sondern wechselte ständig und abrupt. Es hatte zudem keine zusammenhängende Form. Es musste von mehreren, unabhängigen Lichtquellen erzeugt werden. Einmal zerriss die Formation, anschließend vereinigte sie sich wieder zu einer einzigen Wolke.
Fassungslos bestaunten die Freunde das Leuchten. Je öfter es sich unvorhersehbar bewegte, desto mehr waren sie davon überzeugt, dass es nicht von Menschenhand erzeugt wurde. Dann stand Sarah plötzlich auf und drehte sich in die Richtung, wo sich der Hund befand. „Don Camillo hat mich gerufen. Er hat gesagt, dass sein Rücken juckt. Ich soll ihn kratzen, denn er kommt mit seiner Pfote nicht an die Stelle, die ihn juckt. Ich bin gleich wieder da, ich muss ihm helfen.“
„Wortlos betrachteten die vier die kleine Sarah und verkniffen sich ihre Kommentare. Schon wieder erzählte sie eine verrückte Hundegeschichte , die vor Unglaubwürdigkeit strotzte.
„Hoffentlich hört das bald auf“, sagte Sally entnervt , drehte die Handflächen nach oben und krümmte die Finger, als würde sie zwei unsichtbare Bälle in der Hand umklammern. „Langsam aber sicher geht es mir auf den Geist, dass sie angeblich andauernd mit dem Hund spricht.“
„Ich würde dem nicht allzu viel Bedeutung beime ssen“, antwortete Franklyn. Kinder haben manchmal unsichtbare Freunde. In diesem Fall ist es halt ein Hund. Es ist ein ganz normaler Entwicklungsprozess im Gehirn eines kleinen Kindes. Ich habe schon oft darüber gelesen. Es ist absolut ungefährlich und gewöhnlich.“
„Meinst du wirklich?“, fragte sie erleichtert.
„Ja, das ist normal. Du kannst dich darüber aufregen, oder darüber lachen. Zweites ist besser für deine Nerven. Es verschwindet genauso schnell, wie es aufgetreten ist.“
Ein paar Minuten später kam Sarah enttäuscht zurück und setzte sich wieder zu den Erwachsenen ans Feuer. „Er spricht nicht mehr mit mir. Ich kann ihn nicht mehr ve rstehen. Ich habe ihm doch nichts getan, warum redet er nicht mehr mit mir?“
„Schätzchen, er ist sicher müde. Vielleicht hatte er keine Lust mehr dazu“, erfand Sally als Ausrede. Ihr war nicht wohl dabei, die verrückten Fantasien ihrer Tochter auch noch zu unterstützen, aber in diesem Moment musste es sein, andernfalls wäre Sarah vermutlich noch enttäuschter gewesen. Sie brachte es nicht über ihr Herz, Sarah zu sagen, dass Hunde nicht reden können.
John, Franklyn und Carla blickten sie ganz bewusst nicht an. Sie mussten schmunzeln und taten so, als hätten sie von der Unterhaltung nichts mitbekommen. Hätte Sarah gesehen, dass die Erwachsenen über sie lachen, wäre sie sicher weinend davon gelaufen, weil man sie nicht ernst nimmt.
Wiederum ein paar Minuten später stand Sally erneut auf . Eigentlich wollte sie sich etwas zu trinken holen. Sie ging ein paar Fuß in Richtung Dunkelheit, verharrte und sagte: „Da unten ist ein Maulwurf. Er kommt gleich aus der Erde und baut einen Hügel.“
„Was hast du gesagt?“, fragte Carla verwirrt. Eigentlich wollte sie gar nicht wissen, was Sarah fantasierte, aber anstandshalber tat sie so, als würde sie sich doch dafür interessieren. Jedoch unterhielt sie sich gleich wieder mit ihren Freunden.
„Mami, ich habe gesagt, gleich kommt ein Maulwurf aus dem Boden.“
„Ja, mein Schatz. Das ist toll.“ Wieder wandte sie sich ab und sprach weiter.
Es war mittlerweile so dunkel, dass man den Fußboden fast nicht mehr erkennen konnte. Man konnte den Boden eher erahnen, Details blieben einem verborgen. Dennoch war Sarah der Meinung, etwas gesehen zu haben.
Plötzlich bohrte sich tatsächlich ein Maulwurf aus dem Boden. Er brauchte ein wenig, um die harte Oberschicht des Rasens zu durchdringen, hatte aber anscheinend genügend Kraft, um sein Werk zu vollenden. „Seht Ihr, ich habe es Euch doch
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