Babel 2 - Dämonenfieber
Schwester hat ja einen exklusiven Geschmack. Was wird wohl die Nacht in dieser Absteige kosten?«
»Mehr als du und ich uns leisten können. Sie hat eben schneller begriffen, dass sie mit ihrer Magie auch Geld verdienen kann. Wenn ich mir so ansehe, in welchen Hotels sie absteigt, dann kann es um ihr Konto nicht allzu schlecht stehen.« Babel drückte mehrfach auf den dreieckigen Knopf, und wenige Sekunden später öffnete sich die Fahrstuhltür, hinter der leise Musik erklang.
»Ein bisschen wie im Film«, kommentierte Karl.
»In solchen Filmen tauchen Gestalten wie wir nur als ulkige Touristen im Hintergrund auf.«
Die Innenseite der Tür gab ihre verzerrten Spiegelbilder in Gold wieder. Ihre blonden Haare wirkten wie Heiligenscheine. Als sie den Fahrstuhl wieder verließen und den langen Flur betraten, stand Judith bereits in der Tür und winkte sie näher.
An diesem Tag trug sie ein weißes Kostüm, das beinahe zu strahlen schien, und schwarze Pumps, deren Absätze sie über die Köpfe der meisten Menschen erhob. Im Näherkommen erkannte Babel die dunklen Augenringe, die das Make-up nur notdürftig verbergen konnte. Außerdem war sie blass, und ihr Blick huschte nervös hin und her. Auch ihr magisches Netz besaß diese zitternde Unruhe, die wie schwache elektrische Entladungen auf Babels Haut traf. Die Toten mussten ihr mehr Kraft rauben als zuvor. Langsam zeigte sich die Verbindung mit ihnen auch äußerlich.
Babel verspürte kurz den Drang, über den Flur zurückzurennen. Die Vorstellung, mit den Toten zu ringen, erschien ihr plötzlich nicht mehr so einfach, und Augustes magische Signatur drang durch die offene Tür. Sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre magischen Schutzwälle aktivierten und sich schwarze Spritzer auf der cremefarbenen Tapete bildeten.
Judith verdrehte die Augen und deutete mit der Hand darauf. »Könntest du das bitte lassen? Ich möchte nicht hochkant rausfliegen, nur weil du dich nicht im Griff hast. Was habt ihr nur wieder unten an der Rezeption angestellt?«
»Ich kann auch wieder gehen, wenn du möchtest.«
Judith antwortete nicht, winkte nur unwillig mit der Hand ab und ging ins Zimmer zurück. Karl folgte ihr, wobei er den Kopf senkte, und Babel konnte nur Vermutungen anstellen, worauf sein Blick gerichtet war. Kopfschüttelnd ging sie ihm nach und schloss die Tür hinter sich.
Das Hotelzimmer war in Wirklichkeit eine Suite. Vor ihr eröffnete sich ein großräumiges Wohnzimmer. Auguste saß in einem Sessel und sah ihr gespannt entgegen. Er trug eine weiße Hose und ein dunkelrotes Hemd, das den Blick auf seine Kette freiließ. Vorsichtig nickte er ihr zu, und sie erwiderte den Gruß. Nur schwer konnte sie den Instinkt unterdrücken, Judith zu packen und mit ihr aus dem Zimmer zu rennen.
Neben Auguste standen mehrere Kerzen auf dem schmalen Schreibtisch, daneben Schüsseln mit Kräutern und kleine Haufen Mehl und Asche. Auf dem Fensterbrett lag ein Totenschädel, der Größe nach zu urteilen der eines Kindes. Angewidert wandte sich Babel ab. Die Gegenstände verströmten schwach magische Energien.
»Er versucht nur, die Toten von mir fernzuhalten«, sagte Judith, nachdem sie Babels Blick aufgefangen hatte.
»Trägst du immer Schädel in deinem Gepäck herum, wenn du dich von nekromantischen Ritualen fernhalten willst?«, fragte Babel bissig. »Ich dachte, das ist der Grund, warum ich jetzt hier bin.«
»Diese Sachen«, er deutete auf die Kerzen und den Schädel, »haben keine große Macht. Sie können die Verbindung zwischen den Toten und Judith nicht trennen, nur dämpfen.«
»Ich habe Schlafprobleme«, ergänzte ihre Schwester.
»Das erklärt nicht, warum er Schädel bei sich hat.«
Ungeduldig verschränkte Judith die Arme. »Bist du auf Streit aus?«
»Nicht mehr als sonst.«
Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie Babel, als versuche sie abzuschätzen, ob sie tatsächlich einen Streit beginnen würde. Babel fragte sich, wie Judith Augustes magisches Netz nur ertragen konnte – empfand sie das Kratzen auf ihrer Haut nicht als unangenehm?
Ob sie wirklich wusste, was sie Babel mit diesem Gefallen abverlangte? Wie viel Kraft es sie kostete, nicht auf Auguste loszugehen?
Mit zwei anderen Hexen in diesem engen Raum zu stehen, machte sie nervös und aggressiv wie eine Raubkatze im Käfig, und das war nicht unbedingt die beste Voraussetzung für ein so kompliziertes Ritual. Dabei musste sie sich konzentrieren. Flüchtig berührten ihre Fingerspitzen den
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