Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
so genau sagen. In den letzten Tagen habe ich ihn nur selten gesehen. Die meiste Zeit verbringt er bei seinen Leuten, um die Wagenburg wieder aufzubauen.«
Die Plags hatten die Wagenburg vor Wochen auflösen müssen, als Mikhail und sein Dämon den Platz mit Totenenergie verseucht hatten. Obwohl die Alben schon vor vielen Jahrhunderten Fleisch gewordenen waren, reagierten ihre Nachkommen noch immer sensibel auf magische Energien. Die in die Erde gesickerten Totenenergien entzogen ihnen Kraft und Lebensfreude. Daher musste der Platz, an dem die Zirkus- und Bauwagen standen, erst durch Rituale gesäubert werden, bevor sie ihn wieder nutzen konnten.
Babels Hilfe lehnten sie dabei jedoch ab.
Als inkarnierte Naturgeister war ihnen die Magie der Hexen höchst suspekt, weil sie darauf beruhte, die natürlichen Energien zu manipulieren. Für sie war Babel das schlechte Mädchen, das der Lieblingssohn der Familie nach Hause brachte und von dem ihm seither jeder abriet.
Wie sich herausstellte, war Tom jedoch ebenso stur wie sein Hund, wenn es darum ging, das zu bekommen, was er wollte – und Tom wollte Babel. Warum, wusste keiner so genau, am wenigsten Babel selbst.
Doch den anderen Plags erging es wie ihr: Ein Blick in diese seltsamen grünen Augen, und man war nicht mehr in der Lage, Tom etwas abzuschlagen. Daher herrschte zwischen seinen Leuten und ihr ein wackliger Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit, der sich auch darin zeigte, dass sich keine neuen Graffitischmierereien an der Hauswand ihres Büros fanden.
Während Babel den Napf mit Wasser volllaufen ließ, spürte sie Tamys sezierenden Blick auf sich.
Seit sie der Türsteherin erzählt hatte, dass es Magie tatsächlich gab und dass sie in Wahrheit gar nicht als Personal Trainerin arbeitete, ertappte sie Tamy manchmal dabei, wie sie Babel konzentriert musterte.
Schneller als sie selbst hatte Tamy nämlich erkannt, dass die Lösung zu Babels Problem nicht darin lag, sich von der Magie fernzuhalten, die ja ein Teil von ihr war. Sie musste lernen, in kleinen Dosen damit umzugehen. Wie die Könige der alten Tage, die versuchten, durch die regelmäßige Einnahme kleiner Mengen Gift immun zu werden.
»Hast du mit ihm gesprochen?«, fragte Tamy, und ihr Tonfall machte deutlich, dass Babel gar nicht erst versuchen sollte, so zu tun, als wüsste sie nicht, was Tamy meinte.
Seit Sam wieder verschwunden war, hatten Tom und Babel nicht mehr über ihn geredet, aber geklärt war dadurch noch lange nichts. Babel wusste, dass Tom ihr die Freiheit ließ, selbst davon anzufangen, aber auch seine Geduld würde irgendwann ein Ende finden.
»Es hat sich einfach noch nicht die Gelegenheit dazu ergeben …«, murmelte Babel.
»Mit anderen Worten, du bist zu feige, um ihm zu sagen, dass die Sache mit Sam noch nicht abgeschlossen ist.«
»Die Sache ist abgeschlossen.«
Tamy zog eine Augenbraue hoch.
»Wirklich.«
Tamy zog auch noch die andere Braue nach oben.
»Also … quasi … Er meldet sich ja auch gar nicht mehr …«
Tamy legte den Kopf schief.
»Schon gut, du musst nichts sagen.« Babel trocknete sich die Hände ab. »Lass uns lieber ins Wohnzimmer gehen.«
»Versuchst du gerade, das Thema zu wechseln?«
»Ja, aber offenbar nicht sehr erfolgreich.« Sie warf Tamy einen Blick zu, bevor sie sich an ihr vorbeidrängte und die Küche verließ.
Im Wohnzimmer räumten sie Tisch und Stühle ein Stück zur Seite und ließen sich im Schneidersitz auf dem Teppich nieder.
Vor zwei Wochen hatte Tamy damit begonnen, ihr verschiedene Konzentrationsübungen zu zeigen, die Babel helfen sollten, die Kontrolle über ihre Magie zu behalten. Während der nächsten halben Stunde gab sie leise Anweisungen, und Babel versuchte sich mit geschlossenen Augen auf die Stimme und ihren eigenen Herzschlag zu konzentrieren.
Als sich allerdings der Teppich eine Handbreit in die Luft erhob und Tamy vor Schreck nach hinten fiel, schnaufte Babel erschöpft: »Tut mir leid, mir fehlt einfach die Geduld, um wie ein indischer Guru zu atmen. Meine Magie verselbstständigt sich immer noch.« Sie reichte Tamy, die wie ein Käfer auf dem Rücken lag und sie finster anstarrte, die Hand.
Nachdem sich die Türsteherin wieder aufgerappelt hatte, brummte sie: »Ist völlig egal, wie schnell du atmest, wir sind hier nicht beim Yoga. Es geht nur darum, dass du es bewusst tust. Konzentrier dich auf dich selbst, mach dich zum Zentrum deiner Welt.« Sie schnippte ihr mit dem Finger an die Stirn. »Du bist der
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