Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
»Altmodisch? Manche Leute würden dir da widersprechen, wenn man bedenkt, dass ich in einem Zirkuswagen wohne.«
Ein letztes Mal sah sie sich in dem Salon um, in dem ihr einziges Gespräch mit Madame Vendome stattgefunden hatte. Sobald das Geplänkel mit Tom erstarb, kehrte das bedrückende Gefühl zurück, das mit dieser verlassenen Wohnung einherging. Für ihren Geschmack befand sich Babel in letzter Zeit zu oft in den Wohnungen von Toten. Es war immer deprimierend.
»Lass uns die restlichen Zimmer ansehen«, sagte sie, als sie wieder im grünen Salon standen und die Geheimtür geschlossen hatten. »Ich will hier so schnell wie möglich wieder raus. Die Wohnung macht mich nervös.«
Tom nickte, und rasch durchsuchten sie die anderen Räume nach Hinweisen auf die Ursache des Verschwindens von Madame Vendomes Leiche. Doch außer den üblichen Sachen, die die meisten Menschen besaßen, fanden sie nichts, das sie weiterbrachte.
Was hatte sie auch erwartet – eine Notiz, auf der der Verursacher dieses ganzen Schlamassels mitteilte, wo sie die Leiche fanden?
Das schien eher unwahrscheinlich.
Das Notizbuch und die Visitenkarte waren die einzigen Spuren, aber Tom hatte recht, das war wenig. Wenn Babel die Alibis von Madame Vendomes Kunden für die Nacht des Diebstahls überprüfen musste, war sie länger mit dem Fall beschäftigt, als ihr lieb sein konnte. Die Befragung der Toten stellte in jeder Hinsicht eine schnellere Alternative dar.
Wenn auch nicht die ungefährlichere.
Als sie das Haus verließen, blieb sie noch einmal davor stehen und sah an der Fassade empor zu dem Fenster, hinter dem der grüne Salon lag. Sonja Schubert mochte vielleicht nicht der Typ gewesen sein, mit dem sich Babel angefreundet hätte. Trotzdem fühlte sie sich dazu gedrängt, die Sache zu Ende zu bringen.
Im Leben hatte Madame Vendome Wert darauf gelegt, ein bestimmtes Bild von sich nach außen zu zeigen, und niemand sollte dieses Bild nach ihrem Tod stören. Babel würde dafür sorgen, dass diese Beerdigung so stattfinden konnte, wie sie geplant war. Mit all den wichtigen Leuten, die Madame Vendome für eine Nachfahrin der französischen Könige hielten.
Weil es anständig war.
7
Nach der Durchsuchung der Wohnung fuhren sie mit Toms altem Kombi zurück zu Babels Haus. Als sie durch das Gartentor traten, fiel Babels Blick auf das Klingelschild, auf dem der Name stand, den sie bei der Geburt erhalten hatte – und den niemand außer dem Postboten und dem Finanzamt je benutzte.
Tagtäglich ging sie daran vorbei – warum er ihr ausgerechnet jetzt auffiel, konnte sie sich nicht erklären. Vielleicht, weil das Schild einen solchen Kontrast zu dem darstellte, das sie in Sonjas Haus gesehen hatte. Dieses hier war nicht aus Messing, es bestand aus verwittertem Holz, und der Schriftzug verblasste langsam unter dem Einfluss des Wetters. Der Name darauf war längst zu ihrer Fassade geworden, genau entgegengesetzt zu dem, was Madame Vendome für Sonja dargestellt hatte.
Du bist nicht sie. Du atmest ja noch.
Der spöttische Ton klang ganz nach Sam, und es wunderte Babel nicht.
Vielleicht ist das nur Glück.
Ach, Babel, du bist wie diese Tauben auf den Bahnhöfen: Man kann machen, was man will, sie sind einfach nicht totzukriegen.
Energisch versuchte sie diese Gedanken zu verdrängen. »Ich werde es gleich tun, bevor ich es mir anders überlege«, sagte sie, während sie den Garten durchquerten.
»Willst du nicht wenigstens …«
»Was?« Sie drehte sich zu Tom um. »Warten, bis Vollmond ist?«
Offenbar konnte er über den Scherz nicht lachen.
»Du musst nicht bleiben, wenn du dich dabei nicht wohlfühlst. Ich verstehe das«, bot sie an, als sie die Haustür aufschloss. Aber seine Antwort bestand darin, sie an sich zu ziehen und zu küssen, und dieser Kuss war gleichzeitig ein Tu-was-du-nicht-lassen-kannst und ein Pass-gefälligst-auf-dich-auf.
»Wow«, sagte sie, als sie wieder zu Luft kam. »Wirst du auf jede schlechte Angewohnheit von mir so reagieren?«
»Ich baue nur für den Tag vor, an dem du meine schlechten Eigenschaften entdeckst.« Er grinste auf sie herab.
»Mhm, was könnte das wohl sein? Immerhin haben wir vorhin schöne Frauen und ausschweifenden Lebenswandel bereits ausgeschlossen.«
»Ach ja?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Ich dachte eigentlich, mit dir hätte ich beides abgedeckt.«
Lächelnd löste sie sich von ihm und ging in die Küche. »O ja, als ich gestern Urds Futternapf sauber gemacht habe, kam ich
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