Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
mir sehr schön und sehr ausschweifend vor.« Sie nahm eine Packung Milch aus dem Kühlschrank, die dort schon so lange stand, dass sich Babel nicht mehr daran erinnern konnte, wann sie sie gekauft hatte. Auf dem Deckel stand in Toms Handschrift SAU und darunter in ihrer eigenen: Finger weg von den Ritualzutaten!
Als sie die Küche wieder verließ, griff sie nach seiner Hand und führte ihn die kleine Treppe zum Keller hinab, der durch ein schweres Schloss gesichert war. Auf der Tür prangte ein selbst gemalter Smiley, der es in sich hatte. Ein in das Bild eingewirkter Zauber schnürte jedem die Luft ab, der es wagte, die dahinterliegenden Räume unbefugt zu betreten. Seit sie Tom kannte, war er nie hier unten gewesen. Die magischen Energien, die durch die Tür drangen, konnte er als Plag spüren.
»Und du willst, dass ich mit dir dort reinkomme?«, fragte er skeptisch.
»Hast du immer noch Bedenken, dass ich Schrumpfköpfe im Keller aufbewahre?«
Er antwortete ihr nicht, und seine Haltung verriet ihr, dass er sich bei dem Gedanken daran, ihr Magiezimmer zu betreten, unwohl fühlte. Sie drückte seine Hand, als sie Magie wirkte und sein Energienetz in das der Tür einwob, damit der Zauber ihn erkannte und hindurchließ, ohne ihm zu schaden.
Wie in den meisten Kellern alter Häuser roch es nach Feuchtigkeit und abgestandener Luft. Im vorderen Teil des Kellers stapelten sich Kisten mit Sachen, die Babel nie weggeschmissen hatte, Anhäufungen der letzten Jahre, die Zeugnis über ihr Leben ablegten. Gartengeräte, die sie nie benutzte, Weihnachtsdeko, die ihr jedes Jahr einfiel, wenn die Feiertage schon vorbei waren, und Sachen, die sie längst in die Kleiderspende hatte geben wollen.
Der hintere Raum war das Magiezimmer, der Ort, an dem sie komplexe Zauber und Rituale durchführte oder auch einfach zur Ruhe kam. Es war aufgeladen mit Babels magischen Energien, und nur sehr selten lud sie jemanden ein. Da war sie wählerisch. Genau wie bei ihrem Bett.
Die Wand säumten drei deckenhohe Stahlschränke, in denen sie die Zutaten für Zauber und Rituale aufbewahrte. Kräuter, Tierschädel, Weine und Kreide. Der Fußboden aus Stahlemaille mit Grünfarbe fungierte wie eine Tafel und glänzte im Licht der Neonlampe. Zwei hüfthohe schwarze Katzenstatuen an einer Wand waren mit Babels Energie aufgeladen und dienten ihr in Ritualen oft als Energiespender. Ihnen gegenüber hing ein großer Stadtplan, der Auskunft über das magische Netz der Stadt und die Wohnorte der anderen Hexen gab. Im Gegensatz zu Sonjas eigenem Haus hatte sie den Vermerk Madame Vendome schon vor Wochen schwarz übermalt.
Der Respekt vor einer Toten besteht also darin, ihren Namen von deiner Landkarte zu streichen?
Warum nicht? Jetzt wird mich dieser schwarze Balken für immer an sie erinnern, auch wenn ich ihren Namen nicht mehr lesen kann.
Entschlossen öffnete Babel den ersten Schrank und sah auf die unzähligen Schachteln, die die Regale mit Ritualzutaten füllten. Sie entnahm dem obersten Regal eine angestaubte Schachtel, deren Inhalt aus heller Knochenasche bestand. Es war eines der wenigen positiven Überbleibsel der vergangenen Tage, als sie noch Blutrituale mit Tieropfern durchgeführt hatte. Die Kadaver hatte sie verbrannt und sich so einen Vorrat Knochenasche für die nächsten Jahre gesichert.
Die Schachtel und die Packung Milch stellte sie in der Mitte des Zimmers ab, bevor sie eine flache Obstschale aus Granit aus dem zweiten Schrank nahm und ebenfalls dort platzierte. Mit Kreide zog sie einen Kreis, in dem sie genügend Platz fand, um im Schneidersitz darin zu sitzen. Tom wies sie an, an der Wand ihr gegenüber Platz zu nehmen, was er mit zu Fäusten geballten Händen tat. Dabei folgte sein Blick nervös ihren Vorbereitungen. Dass er bei ihr blieb, obwohl ihm die Magie so unangenehm war, rechnete sie ihm hoch an. Er war eben nicht der Typ, der einen im Stich ließ, wenn nicht klar war, ob man die Sache im Griff hatte. Vermutlich wäre er ihr auch auf die Totenebene gefolgt, wenn er könnte, nur um sicherzugehen, dass ihr nichts passierte. Während Sam eher der Typ war, der einen zum Bungeejumping aufforderte, spannte Tom lieber das Sicherheitsnetz, falls das Seil riss.
Diese Fürsorge war etwas Neues für Babel, und sie spürte bei Tom eine Geborgenheit, die Sam ihr nie vermittelt hatte. Mit dem Dämonenabkömmling war es immer ein Tanz auf dem Vulkan gewesen – und dabei konnte man sich schwer verbrennen.
»Während des Zaubers
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