Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
»Gedanken darüber machen, wer dahinterstecken könnte. Denn wenn dich wirklich jemand tot sehen will, versucht er es vielleicht auch noch mal. Du solltest die Sache ernst nehmen.«
»Das tue ich.«
Ja, bis zur nächsten Ablenkung.
»Aber ich will eine Gegenleistung von deinem Herzblatt. Ich habe einen Fall, bei dem er mir eine Auskunft geben kann. Wenn ich davon überzeugt bin, dass hier nur der Zufall am Werk war, sehen wir weiter.« Sie spürte Judiths musternden Blick auf sich, als sie sich zur Tür wandte, um wieder nach unten zu gehen. Es war gut, dass sie Babels Gesicht nicht sah, sonst hätte sie vielleicht verstanden, dass sie gar nicht daran dachte, diesem Nekromanten irgendeinen Gefallen zu tun, indem sie dieses Ritual ausführte, damit er es nicht tun musste.
Sie würde versuchen, ihrer Schwester zu helfen, aber wo Auguste dabei blieb, interessierte sie nicht. Er war ein Fremder für sie, und auch wenn Judith behauptete, er wäre ein Schmusekätzchen, so erkannte Babel doch einen Tiger, wenn er vor ihr stand. Niemand trat den Ombres bei, wenn er nicht ein Rückgrat aus Eisen besaß. Das verlor sich nicht einfach so über Nacht.
Als sie die Küche betraten, saßen die Männer am Tisch und tranken Bier, als wäre das alles nur ein Familienbesuch.
An Toms angespannter Haltung konnte Babel erkennen, dass er inzwischen auch verstanden hatte, welcher Art Hexer er da gegenübersaß. Keine Sekunde ließ er Auguste aus den Augen.
Inzwischen kannte sie ihn gut genug, um an seinem Energienetz zu merken, wann er seine hypnotischen Kräfte einsetzte. Vielleicht hatte er versucht, etwas von dem ungebetenen Gast zu erfahren. Er hatte die Arme verschränkt und den Stuhl nach hinten gekippt, um auf den Hinterbeinen zu balancieren. Seine lässige Pose war jedoch nur Fassade. In Wahrheit lag er auf der Lauer. Aber es war nicht nur seine körperliche Stärke, die ihn gefährlich machte, sondern auch das Erbe der Alben, das noch immer in ihm lebendig war. Bei ihrer ersten Begegnung war es ihm gelungen, Babel zu hypnotisieren, ohne dass sie es gemerkt hatte.
Judith musste die Veränderung spüren, denn sie schnalzte ungehalten mit der Zunge. Doch Tom zuckte nicht mal mit der Wimper. Er sah aus wie ein Kampfhund kurz vorm Angriff.
Äußerlich ließ sich der Nekromant nicht anmerken, dass ihn die Anwesenheit des Plags beeindruckte, aber seine rechte Hand lag auf dem Tisch. Er trug mehrere Ringe, von denen magische Energien ausgingen, und Babel zweifelte nicht daran, dass er jede Sekunde seine Schutzwälle aktivieren konnte.
Die Küche war gerade dabei, sich in eine Szenerie aus High Noon zu verwandeln.
Babel sah Auguste einen Moment lang an und versuchte, so viele Warnungen wie möglich in diesen Blick zu legen. Von Wag es nicht, meiner Schwester das Herz zu brechen bis zu Auch nur der kleinste Versuch, magische Tricks abzuziehen, und dein Kopf schmückt die Wand über meinem Klo – und diesmal zuckte er zusammen.
Aus der Nähe betrachtet fiel ihr auf, dass er ein gutes Stück älter war als Judith. Auch er sah müde und angespannt aus. Wenn er wirklich an Judith hing, musste es ihn mitnehmen zu sehen, wie sie litt, ohne dass er ihr helfen konnte.
Babel setzte sich an den Tisch. »Tom, darf ich dir meine Schwester vorstellen«, sagte sie trocken.
Ein knappes »Hallo« war die Antwort.
Judith lächelte gewinnend. »Du bist das also. Nun, ich muss schon sagen, Babel hat diesmal wirklich Glück gehabt.«
»Danke.« Er blieb reserviert, und das war sicher eine Premiere. Es gab nicht allzu viele Männer, die angesichts von Judiths Charme unbeeindruckt blieben.
Ihre Schwester schien dasselbe zu denken, denn sie runzelte die Stirn und verzog den Mund zu einem Schmollen.
Die Anwesenheit der beiden anderen Hexen und der Einfluss ihrer magischen Energien reizte Babel. Sie wollte den Ombre so schnell wie möglich wieder loswerden, daher sagte sie ohne Umschweife: »Ich werde Judith helfen. Aber vorher muss ich noch etwas wissen.«
Auguste nickte langsam. »Was ist es?« Er sprach mit einem französischen Akzent, der sich durch Jahre in der Fremde abgeschliffen hatte. Seine Stimme war tief und melodiös und passte zu seinem Gesamtbild. Er besaß lange Wimpern und einen schön geschwungenen Mund. Aus der Nähe betrachtet konnte Babel die Anziehungskraft schon verstehen. Judith hatte recht, er war ein attraktiver Mann.
Doch ein Blick auf die Kette um seinen Hals genügte, und Babel hätte am liebsten sämtliche
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