Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Ärzte waren gezwungen gewesen, ihn in ein künstliches Koma zu versetzen. Wie lange sie dies aufrechthalten würden, konnte niemand voraussagen. Einen Tag, zwei, länger. Doch je länger es andauerte, desto wahrscheinlicher war, dass Karl bleibende Schäden davontragen würde.
Einen Moment lang standen sie alle wie betäubt im Gang, niemand sagte ein Wort, es gab keines, das diesen plötzlichen Schmerz ausdrücken konnte, der sie erfasst hatte.
Du hättest besser auf ihn aufpassen müssen. Du weißt doch, wozu Hexen fähig sind.
Ja, aber er hat mir immer wieder versichert, dass er ein harter Bursche ist – und irgendwann habe ich ihm das wohl auch geglaubt.
Aber Hexen sind nun mal keine gewöhnlichen Schläger, sie sind viel gefährlicher.
Die Stationsärztin bat darum, dass nur ein Besucher zu Karl hineinging, und so betrat Babel die Intensivstation allein, während Mo auf einem Stuhl im Wartebereich zusammenrutschte und das Gesicht in den Händen vergrub. Sie versuchte, sich gegen den Anblick zu wappnen, der sie erwartete, aber das gelang ihr nur schlecht. Mit zögerlichen Schritten ging sie auf das Bett zu, als fürchtete sie, Karls Anblick könnte das Schlimme in ihrem Kopf real werden lassen.
Als sie endlich neben ihm stand, erkannte sie ihn kaum wieder. Er sah nicht mehr aus wie er selbst, sondern wie eine ausgeblichene Kopie, eine verwaschene Skizze des Mannes, der er gewesen war. Sein blondes Haar schien genauso grau wie seine Haut, und auf den Handrücken zeigten sich deutlich die blauen Adern.
Er sah aus wie ein alter Mann.
Durch einen Schlauch in der Nase bekam er Sauerstoff, und auch in seinem Arm steckte eine Flexüle. An der Seite verlief unter der Bettdecke der Dränageschlauch, durch den Wundsekret und Blut liefen. Babel betrachtete fassungslos, wie das Leben aus ihm herausfloss. Es war ein furchtbarer Anblick, denn er zeigte, wie zerbrechlich das Leben war.
Eine Weile stand sie einfach nur da, streichelte mit den Fingerspitzen sanft Karls Hand und lauschte dem Piepen des Monitors. Sein Herzschlag war gleichmäßig, aber langsam.
Babel konnte spüren, dass Karl am Ende war.
Aber das darf nicht sein.
Zum ersten Mal überwog Wut die Angst um ihn. Sie konnte den Zorn auf die Angreifer auf ihrer Zunge schmecken, bitter und brennend, deshalb konzentrierte sie sich auf das, was nun geschehen musste. Unauffällig sah sie sich um, aber die Schwester hatte das Zimmer inzwischen verlassen; außer einem Patienten in seinem Bett am anderen Ende des Raumes war niemand hier. Babel nahm die kleine Tüte Holzasche, die sie stets bei sich trug, aus der Jackentasche und pustete eine Prise davon in die Luft. Ihre Magie aktivierte sich und färbte die Asche, die sich auf allem verteilte, bunt. Babel konnte die Aura des Raumes und seiner Gegenstände genauso erkennen wie die Aura, die Karl und sie umgab. Ihre eigene war blau, doch wo Karls Aura üblicherweise ein leuchtendes Rot aufwies, zeigte sich jetzt nur noch ein blasses Rosa; er atmete flach und besaß kaum noch Energie.
Entschlossen legte sie die Hand auf seinen Unterarm und konzentrierte sich darauf, ihre Magie auf ihn zu übertragen. Sie stellte sich vor, wie sich seine beschädigten Zellen regenerierten, die Knochen, die Haut und die Nähte sich zusammenfügten. Wie sich alles wieder verband, was auseinandergerissen worden war. Ihre Kraft ging auf ihn über, doch ihm fehlte so viel Energie, dass es damit nicht getan war. Er würde nicht aufwachen, auch wenn die körperlichen Schäden behoben wurden. Ohne darüber nachzudenken, drehte sie den Ring mit der Eisenspitze nach unten und stach sich damit in die Handinnenfläche, bis Blut zu sehen war.
Bist du sicher, dass du diese Magie einsetzen willst?
Hier geht es nicht um Macht, nur darum zu helfen, das ist etwas anderes.
Und das war es, denn diesmal verlockte sie die Magie nicht, sich auf die Dämonenebene zu verirren. Die Angst um Karl verhinderte, dass Babel die Magie genießen konnte, und das, wonach sie süchtig geworden war, stellte diesmal keine Gefahr dar. Mit den Fingerspitzen zeichnete sie ein blutiges Symbol auf Karls Armbeuge, diese verletzliche Stelle, an der sie seinen Herzschlag spüren konnte, und intensivierte so den Kontakt zu ihm. Über diese Verbindung übertrug sie noch mehr Magie auf seinen Körper, bis seine Aura sich langsam wieder rot färbte.
Mit jedem Atemzug spürte sie seine Energie stärker, sein Atmen, seinen Herzschlag. Als ihr schwindlig wurde, musste sie den
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