Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
halten.
Was würde er jetzt tun?
Einen Schritt nach vorn.
Ich bin so müde.
Langsam kam er auf das Bett zu, sein Blick richtete sich hinter sie. Dann legte er sich vorsichtig vor sie, doch er berührte sie nicht. Das Bett war beinahe zu schmal für sie drei.
»Du hättest trotzdem im Krankenhaus bleiben sollen«, sagte sie leise, während sie ihm ins Gesicht schaute.
»Schon okay, Babel.« Mehr erwiderte er nicht, sah sie nur weiterhin ruhig an.
Sie waren wie zwei Hälften einer Medaille, man konnte nicht die eine ohne die andere Hälfte bekommen. Mit zitternden Fingern strich sie ihm über die Wange und über die Lippen, bevor sie ihn ganz sanft auf den Mund küsste. Solche Küsse waren selten für sie beide, ihre Leidenschaft brach sich fast immer Bahn, aber im Moment war kein Platz für dieses Feuer, nur für dieses sanfte Glühen, das nie verlöschen würde.
Nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, drehte sie sich mühsam zu Tom um, dessen Arm noch immer auf ihrer Hüfte lag. Sein Gesichtsausdruck war ernst, aber nicht verärgert.
»Ist das okay für dich?«, fragte sie ihn, und nach ein paar Herzschlägen nickte er.
Wahrscheinlich war ihnen allen dreien nicht ganz klar, worauf sie sich gerade einließen, aber eines stand fest: Es gab keine andere Lösung für sie. Babel legte die Stirn an seine und war erstaunt, dass dieser Plag ihr Herz in solch kurzer Zeit überrumpelt hatte. Aber vielleicht war es auch gar nicht erstaunlich – in Sam hatte sie sich damals auch auf den ersten Blick verliebt.
Die Erschöpfung forderte ihren Tribut, die Augen fielen ihr zu, und sie spürte, wie sie in den Schlaf hinüberglitt. Das Letzte, was sie noch mitbekam, war, dass Sam sich über sie beugte. Doch was er tat, konnte sie nicht mehr sagen.
Epilog – drei Wochen später
Den ganzen Abend hatte die Kellnerin Tamy schöne Augen gemacht, es war weder subtil noch besonders einfallsreich, sondern einfach nur deutlich.
Als sie Tamy die Rechnung entgegenstreckte, konnte sich jeder am Tisch denken, dass darauf auch die Telefonnummer zu finden war. Doch Tamy sah nicht einmal die Vorwahl, denn Judith riss der Kellnerin die Rechnung förmlich aus der Hand, erklärte barsch: »Danke, das wäre alles«, und auf einmal war Babel alles so klar, als hätte es jemand auf eine Plakatwand geschrieben.
»O mein Gott. Das glaube ich ja nicht.« Sie schlug die Hände vors Gesicht.
»Du verhältst dich seltsam, Babel«, erwiderte Judith, die noch immer blass aussah, aber schon wieder mit Tamy auf Wohnungssuche ging.
»Ich?«
»Mh-mh.«
»Entschuldige, aber das ist doch wirklich das reinste Klischee«, erwiderte Babel.
Judith lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Was denn, bitte schön?«
»Na das.« Babel deutete abwechselnd auf Judith und Tamy, die interessiert die letzte Olive in der Schale betrachtete und murmelte: »Ich möchte eigentlich nicht darüber reden.«
Doch Babel ließ nicht locker. »Ich bin mir nicht sicher, an wen ich jetzt meine Warnung richten soll.«
»Was meinst du damit?«
Judith schüttelte ungehalten den Kopf. »Sie meint die übliche Wenn-du-ihr-weh-tust-dann-Rede.«
»Oh.« Skeptisch musterte Tamy sie, als würde sie erwarten, dass Babel jeden Moment über den Tisch sprang und ihr an die Gurgel ging. »Wirklich, Babel, das wird nicht nötig sein.«
»Warten wir’s ab.«
Mit einem ungeduldigen Zungenschnalzen erhob sich Judith, und sie folgten ihr auf die Straße. Seit Judith wieder aus dem Krankenhaus heraus war, wohnte sie mit Tamy zusammen in Karls Wohnung, der immer noch nicht wieder aufgewacht war, wo ihnen Mo Gesellschaft leistete, der so brav wie nie zuvor zur Schule ging. Offenbar hatte er vom Abenteuerleben erst einmal genug. Maria würde in wenigen Tagen entlassen werden; leider hatte Babels Vater vor zwei Tagen herausgefunden, dass sie in einem Krankenhaus lag und nicht, wie behauptet, mit ihren Töchtern eine schöne Zeit verbrachte. Nun würde er nicht nur seine Ehefrau abholen, sondern auch noch ihnen allen eine gehörige Standpauke halten, warum sie ihm nicht gesagt hatten, was wirklich los gewesen war. Und das war nichts, worauf sich Babel oder Judith besonders freuten.
Von Clarissa hatten sie nichts mehr gehört, aber als Babel ein einfaches Ortungsritual durchgeführt hatte, war von Clarissas Familie auf der Karte nichts mehr zu sehen. Sam war einmal an dem Haus vorbeigefahren und hatte das Verkaufsschild gesehen.
Er, Tom und Babel versuchten gerade, ihre neu
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