Baby-Bingo
wieder nicht schwanger war. Der lange Flug war ja nun kein Problem mehr. Und eine einsame Insel im Indischen Ozean genau das Richtige, um sich endlich mal wieder als verliebtes Paar zu fühlen – und nicht als Frau und Mann, die seit über einem Jahr verzweifelt versuchen, ein Kind zu bekommen. Ich wollte Ablenkung. Spontanen, wilden Sex, ohne dabei meinen Eisprungkalender im Kopf zu haben. Und endlich unsere Flitterwochen nachholen.
»An was denkst du gerade?«
Martin und ich laufen am Strand zurück zu unserem Wasserbungalow. Über uns ein strahlend heller Sternenhimmel, wie man ihn nur auf Inseln sieht. Es ist warm. Die Luft hat bestimmt noch 28 Grad.
»Ich überlege gerade, wann wir zwei das letzte Mal so einen romantischen Abend hatten«, sage ich.
»Ab jetzt jeden Tag. Ich glaube, ich habe dir schon viel zu lange nicht mehr gesagt, wie sexy du aussiehst.« Martin bleibt stehen und zieht mich an sich.
Stimmt, denke ich. Es ist noch nicht lange her, da hast du mir gesagt, dass ich ungefähr so sexy wie ein Walross bin und mal ganz genau in den Spiegel schauen soll. Das zum Thema Romantik.
Genau zwei Jahre, sechs Monate und 25 Tage dauert es im Schnitt, bis die Romantik in einer Ehe nachlässt. Habe ich auf dem Flug in einer Zeitschrift gelesen. Dann lassen 70 Prozent der Männer ihre gebrauchten Socken auf dem Boden liegen, und jede zweite Frau läuft zu Hause nur noch im Jogginganzug rum.
Okay, dass mit den Socken stimmt, aber im Jogginganzug laufe ich nie rum. Vielleicht sind wir doch nicht so durchschnittlich.
»Iiih, was ist das denn?«, schreie ich.
Ich habe das Gefühl, dass mir gerade etwas Nasses, Feuchtes, Unangenehmes direkt über den Fuß gekrabbelt ist.
Martin leuchtet mit der Taschenlampe nach unten, und wir sehen eine Herde Krabben den Sand entlangflitzen.
»Komm, ich nehm dich huckepack.«
Martin bückt sich, und ich klettere auf seinen Rücken. Unter meinem lauten Gekicher schleppt er meine 70 Kilo über den Strand zurück zu unserem Wasserbungalow. Schon lange hatten wir nicht mehr so viel Spaß zusammen. Wir fallen sofort ins Bett. Und während das Meer draußen vor sich hin plätschert, schlafen wir später eng umschlungen ein.
Mitten in der Nacht weckt uns das Geräusch von Wellen, die dumpf an die Pfähle unseres Hauses schlagen.
»Was ist denn hier los?«, brummt Martin. »Wie soll man denn bei diesem Lärm schlafen?«
Er steht auf und geht auf die Terrasse.
Ich drehe mich um und ziehe mir die Bettdecke über den Kopf.
Durch die ich immer noch Martins Geschimpfe höre. Wenn er sich in etwas reinsteigert, dann richtig.
»Jetzt komm wieder ins Bett«, sage ich und schaue genervt auf die Uhr: 4.28 Uhr. Ich bin todmüde und will nur weiterschlafen.
»Gleich morgen früh beschwere ich mich«, höre ich Martin weiternörgeln.
»Bei wem willst du dich denn beschweren? Beim Meeresgott Poseidon vielleicht? Martin, das ist die Brandung! Die kann keiner abstellen.« Langsam werde ich sauer. Wütend schlüpft Martin wieder unter die Bettdecke. »So eine Unverschämtheit! Hier bleiben wir nicht …«, ist das Letzte, was ich von ihm höre. Dann schlafe ich wieder ein.
Am nächsten Morgen hat sich das Meer wieder beruhigt. Wir hören nichts. Keine Wellen, keine Brandung. Stille.
Kein Wunder, denn das Meer ist weg.
»Was ist denn hier passiert?« Martin sieht mich ungläubig an. »Waren wir nicht gestern noch auf den Malediven? Oder hab ich das geträumt? Und jetzt sieht’s hier aus wie an der Nordsee!«
Martin lässt sich in den Liegestuhl auf der Terrasse fallen und starrt aufs Meer. Oder auf das, was davon übrig ist.
»Sieht nach Ebbe aus«, sage ich und muss lachen.
»Verdammt! Da buche ich schon die teuerste Kategorie, einen Bungalow direkt im Meer. Und dann lassen sie das Wasser ab.«
Martin schaut auf die Pfahlbauten neben uns, die ebenfalls wie traurige Störche in der Landschaft stehen.
Später beim Frühstück erzählt uns eine Schweizerin, dass alle Inseln der Malediven zwei Seiten haben: Eine raue, auf der unser Wasserbungalow steht und die den Gezeiten ausgesetzt ist, und eine ruhige, auf der die Lagune mit Korallenriff liegt. Zielsicher hat Martin die falsche Seite gebucht.
Ausnahmsweise beschwert er sich diesmal höchstpersönlich beim Hotelmanager. Was sonst nicht seine Art ist. Denn meist schickt er mich vor. Mit der Bemerkung, ich würde das Problem doch viel charmanter und diplomatischer lösen als er. Was ja auch stimmt.
Wir haben Glück. Eine
Weitere Kostenlose Bücher