Babylon: Thriller
drei Jahre alt gewesen, als Ihre Eltern bei einem Grubenunglück ums Leben kamen.«
Der plötzliche Themenwechsel war für mich der Beweis, dass Tomas mehr über die Bedeutung der Alchemie wusste, als er zugeben wollte. Zumal er sofort nachhakte. »Haben Sie denn niemals nach Ihren anderen Angehörigen gesucht?«
»Sie haben ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie an mir nicht interessiert sind. Warum also hätte ich das tun sollen?«
Eine leichte Rötung seines Halses verriet, dass er sich darüber im Klaren war, gegen die Regeln der Höflichkeit verstoßen zu haben, indem er jemandem, den er kaum kannte, derart persönliche Fragen stellte. »Sie hatten trotzdem großes Glück – sie hatten Samuel. Er hat nie geheiratet. Ich finde das sehr seltsam.«
»Er war verheiratet, vor sehr langer Zeit. Seine Frau starb, ehe er von meiner Existenz erfuhr. Das trug zu seinem Entschluss bei, mich unter seine Fittiche zu nehmen. Ihr Tod hatte bei ihm eine große Lücke hinterlassen und er hörte genau zum richtigen Zeitpunkt von mir.«
Die Luftfeuchtigkeit war derart angestiegen, dass man den Asphalt draußen regelrecht dampfen sehen konnte. Ich bestellte ein Glas mit Eiswürfeln und eine Flasche Lauquen, ein besonders wohlschmeckendes, frisches Brunnenwasser. Als ich Tomas davon anbot, lehnte er ab.
Die Hitze schien ihm nicht das Geringste auszumachen, obgleich ein Blick nach draußen, auf die Menschen, die unter der Hitze litten, mir bereits Unbehagen bereitete. Ich dachte über seine Enthüllung nach. Samuel hatte ein authentisches Buch der Bibel gefunden. Wenn das zutraf, war es eine Sensation. Aber einige wichtige Teile der Gesamtgeschichte wurden mir offenbar mit Absicht unterschlagen, und das beunruhigte mich.
»Wie dem auch sei, zurück zu Ihrer ursprünglichen Information. Samuel hatte Beziehungen zu den meisten bedeutenden Museen und damit eine ganze Reihe von Möglichkeiten, seinen Fund in sichere Verwahrung zu geben. Warum hat er die Schrifttafel ausgerechnet hierher gebracht? Ich glaube, Sie erzählen mir nicht die ganze Geschichte.«
Tomas atmete tief ein und ich gewahrte, wie ein Ausdruck der Besorgnis über seine Miene huschte.
»Steckt etwa noch mehr dahinter?«
Er rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. »Dazu darf ich mich nicht äußern.«
»Sie trauen mir nicht?«
Er wich meinem Blick aus. »Sie haben gesehen, was passieren kann. Es ist für Ihre Sicherheit zuträglicher, wenn Sie gar nichts wissen, solange die Gefahr nicht vorüber ist. Wahrscheinlich hat Samuel Sie aus diesem Grund nicht selbst informiert.«
Meine Geduld ging allmählich zu Ende. »Sie brauchen mich, um das Artefakt zu finden. Also erzählen Sie mir gefälligst alles, oder ich steige aus und lasse Sie hier sitzen.«
Eine Minute verstrich, in der er mit sich rang, was er mir offenbaren sollte. »Samuel glaubte, dass der Text eine verborgene Nachricht enthält.«
»Sprechen Sie von einer Art Code, den Nahum benutzt hat?«
»Nicht ganz. Ich meine keine Chiffre. Es hat etwas damit zu tun, wie er dieses Buch schrieb. Ich denke eher an Zeichen und Hinweise für seine Verbündeten, die er im Text versteckte.«
Er sah den Unglauben in meiner Miene. »Es ist durchaus möglich. Sicherlich haben Sie von der Kupferrolle gehört, die sie in Kirbet Qumran bei den Qumran-Rollen gefunden haben. Dort wird eine Reihe von Orten in Israel aufgezählt. Allesamt Verstecke für Gold und Silber.«
»Diese Texte wurden einige Jahrhunderte nach Nahum geschrieben. Es gab keine verborgenen Botschaften. Die Orte wurden genau beschrieben; unsere modernen Übersetzer können die Texte nur nicht verstehen. Glauben Sie nicht, dass irgendwelche versteckten Botschaften in Nahums Prophezeiung, sofern sie wirklich existieren sollten, im Laufe der Jahrhunderte längst entschlüsselt worden wären?«
»Nein.« Tomas’ Stimme war kaum zu hören, und ich spürte, dass wir endlich zum Kern der ganzen Angelegenheit vordrangen.
»Und warum nicht?«
»Weil der Text auf der Schrifttafel sich von der ältesten Version des Tanach, die wir besitzen, deutlich unterscheidet.«
Tomas’ Stimme war zu seinem Flüstern herabgesunken und seine dunklen Augen fixierten mich. »Sie müssen zugeben, dass ich sehr offen zu Ihnen war, John Madison. Jetzt sind Sie an der Reihe. Wenn Sie irgendeinen Hinweis haben, dann will ich ihn hören.«
»Noch gibt es nichts Konkretes. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, irgendeine Spur zu verfolgen.«
»Ich erwarte, dass
Weitere Kostenlose Bücher