Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babylon: Thriller

Babylon: Thriller

Titel: Babylon: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. J. McIntosh
Vom Netzwerk:
ich das Ewigkeitszimmer nannte. Er war von Hals Großvater für Fechtübungen benutzt worden. »Sein Fechtlehrer wurde genau an dieser Stelle schwer verletzt.« Das war eher eine Fabel als die Wirklichkeit. Ich erinnere mich, wie begeistert Hal diese Geschichte erzählte, als wir noch im Jungenalter waren, und ich nach alten Blutflecken in den Ritzen des hellen Holzfußbodens suchte und mir dabei vorstellte, wie der Fechtmeister zusammenbrach, sein Säbel klappernd auf den Boden fiel und ein roter Fleck auf seinem weißen Hemd erschien, wie ich es in Zorro gesehen hatte.
    Die Holzläden vor den beiden vorderen Fenstern waren geschlossen, daher konnte ich gefahrlos die Wandbeleuchtung einschalten. Die Lampen erzeugten ein weiches, gelbliches Licht, das von den Spiegeln reflektiert wurde. In dem Raum standen so gut wie keine Möbel. Soweit ich mich erinnern konnte, gab es nur einige Schränke an der hinteren Wand, in denen Peter den größten Teil seiner Sammlung aufbewahrte. An der vorderen Wand neben dem Fenster hingen Fechtmasken und Waffen an einem eigens dafür angefertigten Gestell – leichtgewichtige Florette, Degen und die um einiges tödlicheren Säbel. Einmal wurden Hal und ich dabei ertappt, wie wir mit ihnen spielten, und durften danach einige Monate lang den Raum nicht mehr betreten.
    Die Schrankbretter waren jetzt frei und dick mit Staub bedeckt. Ich tastete nach dem Hebel, der in einer dekorativen Schnitzerei an der oberen Kante des ersten Schranks versteckt war, und hörte, wie das Schloss aufschnappte. Die Rückwand glitt zur Seite hinter den benachbarten Schrank und gab den Blick auf eine Mauernische frei. Gespannte Erwartung erfüllte mich plötzlich – ich war nahezu sicher, dass Hal die Schrifttafel an dieser Stelle deponiert hatte, wie sein Vater es mit seinen wertvollsten Stücken zu tun pflegte. Zwei Kartons standen vor der hinteren Wand der Nische, die Deckel offen. Die Kartons waren leer. Ich stieß einen lauten Fluch aus.
    Das einzige andere Objekt war eine kleine bronzene Urne, die auf einem Schrankbrett etwa einen halben Meter unter der Decke stand. Ich holte sie herunter und öffnete sie. Darin befanden sich einige gelbliche Edelsteine. Ich nahm einen heraus und sah ihn mir an. Warum hatte Hal die Steine hier aufbewahrt? Sie waren ziemlich klein und ungeschliffen und daher nicht gerade von großem Wert.
    Verärgert, dass meine Suche vergeblich gewesen war, achtete ich nicht mehr so wachsam wie vorher auf die Umgebung, als ich das Haus verließ. Das war ein Fehler. Als ich an der schmalen Lücke zwischen einem Haus und dem Kirchhof vorbeiging, schoss eine männliche Gestalt aus dem Schatten heraus und legte einen dicken Arm um meinen Hals. Mit seiner anderen Hand packte der Mann mein Jackett und quetschte mich so eng an seine Brust, dass ich das Heben und Senken seines Zwerchfells wahrnehmen konnte, als er ein paar heftige Atemzüge machte.
    Ich drehte mich von ihm weg und spürte, wie sich sein Griff lockerte. Ich holte mit dem freien Arm aus, schlug mit aller Kraft zu und traf ihn. Gleichzeitig rutschte ich aus meinem Jackett, während ich mich weiter drehte. Dann war ich frei.
    Ich hatte nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um zu reagieren, und entschied, nicht auf die Straße hinauszurennen, weil möglicherweise Eris dort auf mich wartete, und zwar bewaffnet. Stattdessen wählte ich den Weg über den Kirchhof und riss die schwere Kirchentür aus Holz in der Hoffnung auf, dass ich dort jemanden fand, der mir helfen könnte. Doch das Kirchenschiff war dunkel und völlig still.
    Ich eilte eine schmale Treppe hinauf zu den Galerien im ersten Stock. Die Treppe endete in einer Nische, in deren hinterer Wand sich eine kleine Tür befand, die an den Eingang zu einer Mönchszelle erinnerte. Ich drückte dagegen, spürte, wie sie nachgab, und verstärkte den Druck. Die Tür sprang auf.
    Nachdem ich sie so leise wie möglich wieder geschlossen hatte, befand ich mich in einem aus gelbem Klinker gemauerten, röhrenförmigen Gang, der so schmal war, dass ich nicht einmal die Arme ausstrecken konnte. Ich griff nach meinem Mobiltelefon, um die Polizei zu Hilfe zu rufen, und begriff in diesem Moment, dass es in meiner Jackentasche steckte. Damit blieb mir nur eine Möglichkeit – mich so gut wie möglich unsichtbar zu machen.
    Eine schwarze Wendeltreppe aus Eisen schraubte sich in der Mitte des Turms in die Höhe. An den runden Wänden angebrachte Lampen erzeugten ein mattes, gelbliches Licht. Mein

Weitere Kostenlose Bücher