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Babylon: Thriller

Babylon: Thriller

Titel: Babylon: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. J. McIntosh
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Schatten eilte mir voraus, als ich die Stufen hinaufstieg. Ich konnte über mir nicht weiter als höchstens zwei Meter blicken und hatte keine Ahnung, wie hoch die Treppe war. Die Luft im Turm war warm und stickig, und vor meinen Augen begann alles, sich zu drehen.
    Am Ende der Treppe befand sich eine grau gestrichene Holztür, die sich zu einem etwa fünf mal fünf Meter großen Raum öffnete. Über mir wölbte sich in großer Höhe eine brüchige, mit Gips verputzte Decke. Stellenweise war der Putz bereits herausgebrochen und herabgefallen, so dass das hölzerne Lattenwerk zu sehen war.
    Ein stetig pulsierendes Geräusch zu meiner Linken entpuppte sich als großes Eisenpendel, das sich in einem Holzgestell bewegte. Darüber klirrte ein System von Zahnrädern und Hebeln. Es war die Mechanik der Turmuhr. Das Pendel schwang hin und her und erzeugte dabei ein leises Rauschen wie die Sense eines Schnitters.
    Poes berühmte Geschichte kam mir in den Sinn. Ich stellte mir vor, wie die Wände und die Decke mit jedem Pendelschlag dichter auf mich zurückten, um mich zu zerquetschen.
    Eine vollständige Armeeuniform, staubig vom Alter, und Fahnen aus dem Zweiten Weltkrieg hingen an einer Wand. Geister toter Soldaten flüsterten in der Stille.
    Ich lauschte auf Schritte eines möglichen Verfolgers, konnte jedoch nur das regelmäßige Ticken der Uhr wahrnehmen. Es war ein leises, dumpfes Pochen wie der Herzschlag eines Riesen. Eine wacklige Leiter führte zu einer geschlossenen Klappe in der Decke. Ich kletterte sie empor und drückte gegen die Holzplatte. Irgendetwas fiel und ich wich zurück, als hätte es auf meinen Kopf gezielt. Ein mumifizierter Vogelkadaver, der Größe nach ein Sperling, landete mit einem dumpfen Laut unter mir auf dem Holzboden.
    Über der Klappe gähnte dunkle Leere. Der säuerliche Geruch von Vogelmist und Moder drang zu mir herab. Ich konnte das Schlagen von Flügeln hören. Tauben? Fledermäuse? Ich tastete den Holzrahmen über der Klappe ab, um zu überprüfen, ob der Boden sicher und stabil genug war, um mein Körpergewicht zu tragen. Als ich die Hand zurückzog, war sie mit Staub und den pelzigen Flügeln toter Motten bedeckt.
    Konnte ich mich dort verstecken?
    Schritte erklangen auf den Eisenstufen unter dem Raum. Sie kamen stetig näher und wurden vom Tick-Tack des riesigen Pendels begleitet, als zählte die Uhr die Sekunden ab, die in meinem Leben noch übrig waren. Knarrend schwang die Tür auf.
    Der Fuß des Mannes schob sich über die Schwelle, und dann kam sein gesamter Körper in Sicht. Er hatte Mühe, sich durch die Türöffnung zu zwängen. Er tappte mit unsicheren Schritten in den Raum und blieb stehen.
    Als er mich entdeckte, lief ein erregtes Zittern durch seinen Körper. Gepresste Laute drangen aus seinem Mund, als wären seine Stimmbänder zerstört. Wie eine aus Stein gehauene Skulptur machte er langsame, vorsichtige Schritte auf mich zu. Dies, so wusste ich sofort, war der Chemiker mit den schrecklichen Verbrennungen. Er kam mir vor wie ein urweltliches Wesen, das menschliche Gestalt angenommen hatte, als ob ein Gott ein riesiges Standbild geschaffen und dem Stein Leben eingehaucht hätte.
    Die alten Griechen fesselten ihre Statuen mit Ketten, um sie an der Flucht zu hindern, da sie glaubten, sie seien lebendig. Ich begriff in diesem Moment, dass sie es aus Furcht taten und nicht, um ihre Flucht zu vereiteln.
    Das Gesicht unter seiner vollkommen glatt rasierten Schädelplatte war abnorm flach. Seine Haut hatte einen grauen Schimmer und erinnerte an trockene Knetmasse. Mit einem Auge starrte er mich an. Der Anblick erzeugte Übelkeit in mir. Für einen kurzen Moment schien es, als wären die Zyklopen meiner jugendlichen Fantasie zurückgekehrt, um mich abzuholen.
    Er wandte den Kopf, und jetzt erst konnte ich erkennen, dass er tatsächlich noch zwei Augen besaß. Jedoch war das linke schwer beschädigt und mit Narbengewebe bedeckt. Über die leere Höhle, in der sich sein linkes Auge hätte befinden müssen, war ungeschickt wächserne Haut gespannt worden.
    Ich hatte einige Vorteile. Der Kerl war enorm stark, konnte sich aber nur mühsam vorwärtsbewegen. Meine Reaktionszeit war um ein Mehrfaches kürzer und ich befand mich über ihm. Das war immer eine gute Position, wenn man jemanden besiegen wollte.
    Er hatte Probleme mit den Stufen, die so schwach waren, dass sie unter seinem großen Gewicht durchhingen und er beinahe das Gleichgewicht verlor. Ich versuchte, den optimalen

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