Babylon: Thriller
Eris so etwas wie einen Peilsender darin versteckt hat.«
Sie nippte an ihrem Glas. Als das Schweigen zwischen uns peinlich zu werden drohte, sagte sie: »Du kannst dich ruhig ausziehen.«
Obgleich die Aufforderung nicht gerade von der romantischen Art war, brachte dieser schnelle Wechsel von belangloser Konversation zu unverblümter Einladung mein Blut in Wallung. Ich hatte nichts Eiligeres zu tun, als aus meinem Hemd zu schlüpfen.
»Dreh dich um.«
Offenbar hatte sie Hemmungen, sich nackt vor mir zu zeigen, daher tat ich ihr den Gefallen. »Wenn du das Licht löschen möchtest, nur zu. Mir ist es recht.«
»Nein, es ist schon okay.« Sie nahm meinen Kopf zwischen ihre Hände und streichelte meinen Hals. Ich ergriff eine Hand und hauchte einen Kuss darauf. Sie murmelte etwas, das ich nicht verstand, und zog sie zurück. Das beeinträchtigte meine Begierde in keiner Weise. Ich spürte, wie ich auf ihre Nähe reagierte. Sie ließ ihre Finger zu meinem Nacken wandern. Die Muskeln in meinen Schultern kapitulierten. Zum ersten Mal seit langer Zeit entspannte ich mich.
Ich lehnte mich ein wenig zurück. Strähnen ihres langen braunen Haars glitten über meine Schultern. Sie begann, mit den Fingerspitzen meinen Rücken zu massieren. Ich überließ mich ihren Händen. Bisher lief auch ohne mein Zutun alles bestens.
Dafür hatten ihre nächsten Worte die gleiche Wirkung wie ein Sprung ins eiskalte Wasser. »Da ist irgendetwas unter der Haut auf deinem Rücken. Wahrscheinlich hat Eris es eingepflanzt, während du bewusstlos warst. Wir müssen es herausholen.«
Ich weiß nicht, was mich gründlicher auf dem Boden der Tatsachen aufschlagen ließ: die Erkenntnis, dass Laurels Fingergymnastik kein Vorspiel zu einem erotischen Intermezzo war, oder dass ich gar nicht mitbekommen hatte, dass man mir dieses Ding eingesetzt hatte.
»Bei all den Blessuren, die dein Körper in der letzten Zeit einstecken musste, hast du diesen Schmerz wahrscheinlich gar nicht bemerkt.«
Ich setzte mich auf den Toilettendeckel, während sie eine Pinzette und eine Hautschere aus ihrem Manikürenecessaire benutzte, um den Gegenstand herauszuangeln. Ein, zwei kleine Stiche und es war vorbei. Sie legte mir ein winziges Objekt in die Hand, nicht viel größer als ein Reiskorn.
»Wirf’s in die Toilette und spül’s einfach runter«, sagte sie.
Ich zupfte ein Kosmetiktuch aus dem Spender auf der Glasablage unter dem Spiegel über dem Waschbecken und wickelte den Gegenstand darin ein. Ich verstaute das kleine Päckchen in der Hosentasche, kehrte ins Hotelzimmer zurück und zog mein Oberhemd wieder an.
Laurel stand mit besorgter Miene in der offenen Badezimmertür. »Willst du das Ding nicht loswerden?«
»Nein«, sagte ich. »Ich habe eine bessere Idee.«
Sechzehn
Der Abendhimmel, eine tief hängende graue Wolkendecke, fing die Hitze ein und sorgte dafür, dass man sich in der Stadt vorkam wie in einer Druckkammer. Die Atmosphäre verlangte nach Befreiung – einem Gewitter und einem kräftigen Regenguss. Autofahrer redeten auf ihre Mobiltelefone ein, tiefgekühlt in ihren klimatisierten Fahrzeugen, während Fußgänger sich mühsam durch die schwüle Hitze schleppten. Bei dem dichten Gedränge auf den Gehsteigen war es nahezu unmöglich, meine Verfolger zu identifizieren, doch ich war sicher, dass sie mich nicht aus den Augen ließen. Mein Weg führte mich zuerst zu Corinne Carter.
Corinne war in Harlem aufgewachsen und auf Dauer in den Süden der Stadt gezogen. Sie hatte zum harten Kern unserer Clique an der Columbia University gehört. Und sie war die Einzige, die mich ungestraft Johnnie nennen durfte. An der Uni war sie das Kraftzentrum gewesen, das uns alle zusammengehalten hatte. Wenn jemand nach einem schweren Besäufnis abstürzte, war sie da, um ihn aufzufangen. Wenn eine Diskussion zu einem heftigen Streit auszuarten drohte, war sie diejenige, die die Wogen glättete. Daher kam es für uns alle überraschend, dass sie lebte wie eine Einsiedlerin.
Von ihrem Computerarbeitsplatz zu Hause aus testete Corinne vertragsgemäß ausgeklügelte Sicherheitssysteme von Banken und Wall-Street-Firmen. Dadurch kannte sie sich im Internet mindestens genauso gut aus wie jeder erfahrene Hacker.
Das Haus, in dem sie wohnte, war ein klobiger Kasten aus gelbem Klinker an der Ecke 8. Avenue und 32. Straße. Die Tage verstrichen, ohne dass sie wusste, ob die Sonne schien oder ob es regnete. Ihre Rollläden waren ständig geschlossen. Sie sagte einmal,
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