BACCARA EXKLUSIV Band 40
wüsste. Einen Moment lang war er versucht, ihr davon zu erzählen, um sie abzuschrecken. Im nächsten Moment überlegte er es sich anders – aus Furcht, es würde wirken.
Im Stillen schimpfte er sich einen Idioten. Unentschlossenheit war sonst nicht seine Art. Genauso wenig wie dummes Zeug zu reden. Doch beides schien ihm zur Gewohnheit zu werden, seit er Barbara im Schnee gefunden hatte.
„Du hast nicht viel zu sagen, oder?“
Obwohl ihre Bemerkung nicht bissig geklungen hatte, erwiderte er, frustriert wie er war, unfreundlich: „In deiner Gegenwart brauche ich das allem Anschein nach auch nicht.“
Lächelnd überging sie seine Spitze. „Du bist nicht der Erste, der darauf anspielt, dass ich manchmal zu viel rede.“
Und nicht zum ersten Mal fand er ihr Lächeln betörend – und reagierte deswegen mit einer Dummheit. „Wenn du schon mal beim Reden bist, warum erzählst du mir nicht die volle Wahrheit?“
Er hatte keine Ahnung, warum er diese Tür aufstieß. Der Gedanke, etwas Unangenehmes zu hören zu bekommen, behagte ihm nämlich absolut nicht. Doch plötzlich war er wirklich interessiert.
„Warum bist du hergekommen? Ich verstehe das nicht. Du bist eine junge, attraktive Frau und brauchst doch keine Heiratsanzeige, um einen Mann zu finden. Also, warum? Warum hast du alles, was dir vertraut war, aufgegeben, um dich in ein Abenteuer voller Unbekannten zu stürzen?“
Sie schwieg, als wäge sie die Konsequenzen ab, wenn sie sich ihm anvertrauen würde.
„Du wirst doch nicht etwa kneifen, Grünauge. Und erzähl mir bitte nicht, du seist ein kalifornischer Freigeist und nur deinem Karma gefolgt oder dergleichen. Sag mir die Wahrheit. Du bist hier, weil du vor irgendetwas weggelaufen bist, stimmt’s?“ Ihre Miene verriet ihm, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. „Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was dahinter steckt.“
Schuldbewusst wich sie seinem Blick aus. Dann gab sie sich einen Ruck. „Du hast recht. Du hast ein Recht darauf, es zu erfahren.“
Barbara atmete tief durch und begann zu erzählen. „Meine Eltern würden nicht gerade die Eltern des Jahres werden.“ Nervös strich sie mit dem Daumen über den Rand ihres Bechers. „Ich war der Grund, warum sie heirateten. Mark der Grund, warum sie zusammenblieben. Dazwischen stritten sie entweder erbittert oder schwiegen sich endlos an.“
Sie hielt für einen Moment inne, weil sie in Gedanken einige dieser Szenen noch einmal erlebte. „Ich kam besser mit diesem Familienleben zurecht als Mark. Ich weiß auch nicht, warum. Und erst recht nicht, warum sie all die Jahre zusammenblieben.“
Abel drängte sie nicht. Er hörte einfach nur zu und war sich dabei im Klaren, dass sie mit ihrer Geschichte erreichen würde, dass sie und ihr Bruder ihm noch ein wenig mehr bedeuteten.
„Ich war schon von zu Hause ausgezogen, als sie sich vor fünf Jahren trennten. Ich war einundzwanzig und schaffte es gerade so eben, auf eigenen Füßen zu stehen“, erklärte sie mit einem grimmigen Lächeln. „Mark war erst zehn. Die Scheidung traf ihn hart.“
Barbara lächelte erneut, diesmal jedoch ziemlich traurig. „Ist es nicht schrecklich, was Kinder durchstehen müssen, wenn ihre Eltern sie im Stich lassen?“ Sie starrte ins Leere. „Ja, ich weiß. Was Mark passierte, passierte auch schon Tausenden von anderen Kindern bei der Trennung ihrer Eltern. Aber eine Kleinigkeit hat es für ihn besonders schwer gemacht. Die meisten Eltern streiten sich um das Sorgerecht. Das taten unsere nicht. Mit der Scheidung kam die große Freiheit, und die genossen sie in vollen Zügen. Keiner von beiden wollte sich dabei von Mark bremsen lassen.“
Die Wut war ihr inzwischen deutlich anzumerken. „Schlimm genug, dass sie ihn nicht haben wollten. Sie mussten es ihm auch noch zu verstehen geben. Vor zwei Jahren, als ich merkte, wie sehr ihm das zusetzte, nahm ich ihn zu mir. Nur, ich hatte zu lange damit gewartet.“
Weil Abel ihr immer noch aufmerksam zuhörte, erzählte sie weiter.
„Er war in die denkbar schlechteste Gesellschaft geraten und kam mit dem Gesetz in Konflikt. Zunächst waren es Bagatellfälle, aber trotzdem gefährlich, wenn man bedachte, was er vielleicht als Nächstes tun würde – oder was er vielleicht schon tat und wobei er nur nicht erwischt wurde.“
Wieder senkte Barbara den Blick auf ihren Becher, und wieder fuhr sie nervös mit dem Finger über den Rand. „Ich hätte Mark früher aus dieser schwierigen Situation
Weitere Kostenlose Bücher