BACCARA EXKLUSIV Band 45
in die Hüften gestemmt, sah sie auf Chase’ Telefonnummer. Doch sie nahm den Hörer nicht ab. Ihr Zögern, ihn anzurufen, hatte wenig damit zu tun, dass sie ihren Onkel schützen wollte. Viel mehr wollte sie sich selbst schützen.
Sie erinnerte sich noch viel zu gut daran, was sie empfunden hatte, als Chase sie küsste, an ihr Verlangen, an ihre Sehnsucht – und sie hatte nicht gewollt, dass er aufhörte. Ärgerlich über ihre Feigheit, klopfte sie mit dem Fuß auf den Teppich. Was konnte ihr durch ein simples Telefonat schon passieren?
Gerade als sie nach dem Hörer griff, klingelte der Apparat. Sie schnappte vor Schreck nach Luft, woraufhin Gracie davonflog. Leise fluchend nahm sie den Hörer ab. „Service with a Smile.“
„Sie klingen aber ganz und gar nicht so, als würden Sie im Augenblick lächeln.“
„Chase!“ Vergeblich versuchte sie ernst zu bleiben. „Ich wollte Sie eben anrufen, wegen meines Onkels.“
„Gut. Wir können im Zoo darüber sprechen.“
„Im Zoo?“ Wie lange war sie schon nicht mehr im Zoo gewesen? Sie wickelte die Telefonschnur um ihren Finger und beobachtete, wie Gracie auf einem sonnenbeschienenen Stück des Küchentresens landete.
„Ich bin verzweifelt“, beichtete Chase ihr. „Gestern mussten wir wegen des Regens den ganzen Tag im Haus bleiben, und allmählich werden wir verrückt. Jason bestand darauf, dass ich Sie einlade, uns in den Zoo zu begleiten. Er vermisst Sie, und Emma ergeht es nicht anders.“
Sie hatte die Kinder ebenfalls vermisst, mehr, als sie sich eingestehen wollte.
„Es ist Sonntag, und im Zoo ist vermutlich die Hölle los. Deshalb dachte ich mir, zwei Erwachsene, die ein Auge auf die beiden haben, sind besser als einer“, fuhr Chase fort.
So ein kleines Telefonat kann eine Menge bewirken, erkannte Sunny. Der Klang einer Stimme konnte ein Prickeln auf der Haut auslösen und viel zu erregende Vorstellungen wecken.
„Que serà, serà“, flötete Gracie.
Was geschehen soll, geschieht. Manche Leute mochten an diese Philosophie glauben, doch zu ihnen hatte Sunny nie gehört. Sie war stets davon überzeugt gewesen, dass ein Mensch wenigstens zum Teil selbst für sein Schicksal verantwortlich war. Und weil sie Chase Monroe III. nicht ewig aus dem Weg gehen konnte, musste sie eben lernen, mit ihm fertig zu werden.
„Ich komme gern mit“, sagte sie daher.
„Wir holen Sie in fünfzehn Minuten ab.“
„Mir gefallen die großen Schlangen am besten“, verkündete Jason, der die Nase an die Glasscheibe gepresst hatte, hinter der eine riesige Boa constrictor lag.
Emma erschauerte in Sunnys Armen. „Mir geht es wie dir, Emma“, versicherte Sunny. „Wenn ich eine Schlange sehe, bekomme ich eine Gänsehaut.“ Sie hob das Mädchen herunter und nahm es bei der Hand.
„Ich hätte gern eine als Haustier“, behauptete Jason und bahnte ihnen einen Weg durch die Menge im Schlangenhaus. Draußen lichtete sich die Menschenmasse ein wenig, und Sunny atmete auf. Es war ein warmer, sonniger Tag, und es duftete nach frisch gemähtem Gras, Tieren und Popcorn. Sie steuerte den Erfrischungsstand an.
„Eine große Tüte Popcorn, bitte.“
„Geben Sie uns gleich zwei“, meinte Chase zu der Verkäuferin.
„Und ein Eis.“ Jason und Emma deuteten auf ein schokoladenüberzogenes Eis auf der Eistafel.
Sie bekamen ihr Eis, und mit den Kindern zwischen ihnen schlenderten Chase und Sunny dann den Weg zum Affenhaus hinunter. Neben dem Pfad grasten Rentierkälber in einem Gehege. An einem Futterautomaten blieb Jason plötzlich stehen. „Dürfen wir die Rentiere füttern?“
Sunny gab den Kindern ein paar Münzen, und wenig später rannte Jason mit einer Handvoll Futter an den Zaun und warf es hinüber.
„Nein, nicht werfen. Du musst es so halten.“ Sunny demonstrierte es ihm. „Dann kommen sie zu dir.“
Jason folgte ihrem Beispiel und wartete. Als dann ein Kälbchen auf ihn zukam, wagte er kaum zu atmen. Emma drängte sich näher an ihren Bruder und streckte nun ebenfalls die Hand durch den Zaun. Chase nahm Sunny am Arm und zog sie zu einer nahen Bank. Sunny lehnte sich zurück. Ein Baby in einem vorbeifahrenden Kinderwagen juchzte vergnügt auf, und von dem Hügel vor ihnen drang leise Rap-Musik herunter. Neben sich hörte sie Chase Popcorn kauen. Zum ersten Mal, seit er sie vorhin abgeholt hatte, begann sie sich zu entspannen. Sie wandte den Kopf und betrachtete ihn. Er blinzelte gegen die Sonne, um seinen Neffen und seine Nichte im Auge behalten
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