BACCARA EXKLUSIV Band 61
zusammen. Doch das war nicht ganz die Wahrheit. Dylan brauchte nur anscheinend niemanden. Sie streckte sich, um das obere Regal leer zu räumen, und stieß dabei auf einen Schuhkarton, den sie neugierig an sich nahm.
Ein neuer Gedanke kam ihr und machte ihr Angst. Es würde ihr nicht gelingen, seine Aufmerksamkeit auf Dauer zu fesseln. Doch dann sagte sie sich, dass es ja keine Rolle spielte, weil sie seine Aufmerksamkeit überhaupt nicht wollte.
Einigermaßen getröstet, setzte sie sich mit dem Karton auf den Boden und öffnete ihn. Er war voller Briefe, Fotos und Eintrittskarten zu Filmen, Konzerten und Tanzveranstaltungen. Die Ränder einiger Briefe und Fotos waren verkohlt, so als hätten sie für kurze Zeit im Feuer gelegen.
Ein flaues Gefühl breitete sich in ihr aus. Dies war der Dylan-Karton. Ihr war bereits aufgefallen, dass sich in ihren Fotoalben keine Bilder von ihm befanden, und sie hatte das seltsam gefunden.
Sie versuchte, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, wann sie beschlossen hatte, die Erinnerungen an Dylan Barrows zu vernichten. Und plötzlich fiel es ihr wieder ein. Es war im Haus ihrer Mutter gewesen. Mitten in der Nacht hatte sie sich nach unten geschlichen, wo der Kamin noch im Wohnzimmer glühte. Das Ende der Beziehung zu Dylan lag damals bereits Wochen zurück, doch noch immer weinte sie sich in den Schlaf. Nach wie vor war sie so wütend auf ihn, dass sie am liebsten geschrien hätte. Um ihn aus ihren Gedanken und ihrem Herzen zu verbannen, wollte sie alles, was sie an ihn erinnerte, verbrennen. Daher warf sie seine Briefe und Fotos in den Kamin und sah zu, wie sie Feuer fingen.
Dann geriet sie plötzlich in Panik. Sie war doch noch nicht bereit loszulassen. Mit der Kaminschaufel rettete sie den Großteil der Sachen und verwahrte alles in einem Schuhkarton. Dylan war ihr Freund aus der Kindheit und ihr erster Liebhaber gewesen, deshalb war es ganz natürlich, dass er einen Platz in ihrer Erinnerung bekam. Sie betrachtete sich den alten Schuhkarton und dann das leere obere Schrankregal. Ein dürftiger Platz in ihrer Erinnerung, wie sie feststellte. Sie legte wieder den Deckel auf den Karton.
Es klingelte an der Tür. Sie stand vom Boden auf und schob den Karton ins Regal zurück, nach wie vor nicht bereit, diesen Teil ihrer Vergangenheit zu vernichten. Sie würde ein andermal darüber nachdenken, was mit den Andenken geschehen sollte.
Nicht besonders eilig ging sie zur Tür, schaute durch den Spion und stutzte. Draußen stand Dylan mit einem entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht. Ihr Herz schlug schneller. Fast schien es ihr, als hätte sie vorhin seinen Geist aus dem Karton herausgelassen. Nur zögernd öffnete sie ihm.
„Hallo! Darf ich reinkommen?“, fragte er, da sie nicht aus dem Türrahmen wich.
„Sicher.“ Sie trat zur Seite. „Weswegen bist du hier?“
„Ich hatte dir ausreichend Zeit zum Nachdenken gegeben.“ Er ging in ihr Wohnzimmer und setzte sich wie selbstverständlich in ihren bequemsten Sessel. „Jetzt können wir reden.“
Alisa war innerlich aufgewühlt. In den letzten Tagen hatte sie viel zu viel über ihn nachgedacht. Im Geiste hatte sie ihn angeschrien, ihn verflucht und geweint. Jetzt, wo sie die Gelegenheit dazu hatte, fiel ihr nichts ein. „Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist.“
„Weshalb?“, wollte er wissen und sah sie so eindringlich an, dass sie versucht war, den Blick zu senken.
„Wegen dem, was zwischen uns passiert ist.“
„Was meinst du damit? Dass ich dir das Ballfangen beigebracht habe? Dass wir heimlich bei dir zu Hause ferngesehen haben? Dass wir durch Pfützen gestampft sind? Dass ich bei dir am Krankenbett gewacht habe? Oder dass wir miteinander geschlafen haben? Was davon meinst du?“
Alisa schluckte, da ihre Kehle wie zugeschnürt war. Verwirrt wandte sie sich ab. „Ich meine wohl das, was auf dem College zwischen uns passiert ist.“
„Das war nur eine Sache“, erklärte er.
„Eine große Sache“, korrigierte sie ihn, da sie es nicht zulassen wollte, dass er dieses Ereignis herunterspielte. „Eine große, wichtige Sache.“
„Wenn du meinst. Du hattest ja genug Zeit, um darüber nachzudenken.“
Seine Haltung passte ihr nicht. „Ja, und zwar genau acht Jahre. Seitdem es passiert ist, haben wir nicht mehr darüber gesprochen.“
„Das war ein Fehler“, räumte er ein. „Mit zwanzig habe ich mehrere Fehler gemacht. Aber ich werde sie nicht wiederholen.“
Alisa begann, nervös auf und ab
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