Back to Blood
inzwischen als ihr Zuhause betrachtete … Eigentum von Dr. Norman Lewis; die Überbrückung einer Durststrecke bei der Rückzahlung ihres Studiendarlehens … hatte glücklicherweise Dr. Norman N. Lewis übernommen … Die rebellische Aufwallung fiel schnell in sich zusammen.
Sie schluckte ihren Stolz hinunter und trottete weiter Richtung VIP -Lounge. Eine Reihe etwa eineinhalb Meter hoher Trennwände schleuste all die, die dieselbe Luft wie die sehr bedeutenden Menschen atmen durften, durch einen Gang, an dessen Ende ein Wachmann stand. Wieder ein großer Redneck. Was, wenn er sie nicht durchließ? Er sah aus wie die Karikatur seiner Spezies. Was, wenn er ihr Schwierigkeiten machte?
Der Mann warf einen flüchtigen Blick auf die laminierte VIP-ID -Karte an ihrem Hals und winkte sie durch. Dem hier hätten sie SCHEISSEGAL auf die Stirn tätowieren können.
Was den herausragenden Status der in die VIP -Lounge der FIZ (Fuggerzberuf Industriebank Zürich) Geladenen ausmachte, war die bloße Tatsache, dass man Zutritt erhalten hatte. Ansonsten war der Raum ein einziges Meer aus »Indus triemöbeln«, wie es im gewerblichen Immobiliengeschäft hieß, einfache moderne Stühle und kleine Tische aus so viel Plastik wie möglich. Die sehr bedeutenden Menschen konnten sich dortselbst hinsetzen, ein wenig verschnaufen und sich bei einem Drink ihre Miami-Basel-Kriegsgeschichten von heiß umkämpften Objekten erzählen, was so viel hieß wie sehr bedeutenden Tratsch austauschen.
Weit draußen in diesem Meer saß Magdalena an einem Tisch mit Fleischmann, A.A. und Norman, den sie nun demonstrativ ignorierte. Sie war der Meinung, dass sie sich wenigstens so viel Selbstachtung schuldig sei. Madame Carr gab plötzlich die Stimmungskanone ihrer kleinen Gesellschaft. Magdalena fragte sich, ob Norman oder gar Fleischmann eine Ahnung hatte, welcher der 3,4 Millionen möglichen Gründe dafür verantwortlich war. Im Augenblick beantwortete sie gerade eine Frage von Norman … Norman, der Magdalena einmal geraten hatte, »Sei vorsichtig mit Fragen. Fragen sind der sicherste Weg, deine Unwissenheit zu offenbaren.« Wie dem auch sei, Norman hatte eine Frage gestellt, und Marilynn sagte, »Wie Doggs gelernt hat, mit Glas zu arbeiten? Er arbeitet nicht mit Glas oder sonst irgendwas. Haben Sie noch nie von ›No Hands Art‹ und ›De-Skilled Art‹ gehört?«
»Möglich, dass ich schon mal irgendwo davon gehört habe — na ja, eigentlich nicht«, sagte Norman lahm, zumindest lahm für seine Verhältnisse.
»Kein avantgardistischer Künstler legt heutzutage noch selbst Hand an sein Material oder nimmt selbst ein Werkzeug in die Hand«, sagte A.A.
»Was meinen Sie mit Werkzeug, A.A.?«, fragte Fleischmann.
»Na ja, das Übliche«, sagte sie. »Malpinsel, Lehm, Stecheisen, Meißel … eben alles aus dem Manuellen Zeitalter. Nehmen Sie die Malerei. Das ist so Fünfzigerjahre! Erinnern Sie sich noch an Schnabel, Fischl, Salle, diese ganze Truppe? Fünfziger, auch wenn die ihre fünfzehn Minuten in den Siebzigern hatten. Die neuen Künstler, wie Doggs, betrachten diese Leute, als kämen sie aus einem anderen Jahrhundert, nun ja, wenn man es genau nimmt, stimmt das ja auch. Die benutzten noch ihre Hände für ihre kleinen visuellen Tricks auf Leinwand. Die waren entweder hübsch und nett und gefielen den Leuten oder hässlich und verwirrend und ›provozierten‹ die Leute. Provozierten … gottogott —« Lächelnd schüttelte sie den Kopf, als wollte sie sagen, »Kaum zu glauben, wie das früher alles war!«
»Und Doggs, wie macht der das?«, fragte Fleischmann. »Komisch, darüber habe ich noch nie richtig nachgedacht.«
»Das ist wirklich faszinierend«, sagte A.A.. »Er hat sich — also Doggs — er hat sich dieses Callgirl gegriffen, Daphne Deauville, die den Gouverneur von New Jersey den Job gekostet hat — und die dann wegen dieser Geschichte einen Job als Kolumnistin für die New Yorker City Light bekommen hat? Ich konnte es nicht fassen! Egal, jedenfalls engagiert Doggs einen Fotografen, damit der ihn dabei fotografiert … wie er ihr das Hirn aus dem Schädel fickt « — in letzter Zeit war es für wagemutige Frauen chic geworden, in Unterhaltungen mit Männern das Wort ficken zu benutzen — »und noch das eine oder andere mit ihr anstellt. Er schickt die Fotos zu Dalique, und die setzen ihre Kobolde darauf an, die Fotografien dreidimensional in Dalique-Glas zu ritzen. Doggs hat die Stücke nie selbst berührt — nie. Er
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