Back to Blood
immer in Ehren halten. Zu Hause dürfen wir nur französisch sprechen. Daddy hält Kreolisch für eine verabscheuungswürdige« :::::: verabscheuungswürdige :::::: »Sprache, auch wenn er sie selbst an der EGU unterrichten muss. Er sagt, sie ist so-oo-oo-oo primitiv. Er kann sie nicht ausstehen. Deshalb war Daddy stinksauer, als Philippe von der Schule nach Hause kam und Kreolisch mit diesem Antoine gesprochen hat, der von zu Hause nichts anderes kennt als Kreolisch … und Philippe offensichtlich von diesem, Entschuldigung … Schwachkopf anerkannt werden wollte. Und als Philippe dann auf Daddys Fragen auf Kreolisch geantwortet hat, nur um diesen Trottel zu beeindrucken … da war Daddy dann richtig angefressen. Ich meine, ich liebe Daddy, und ich bin sicher, Sie werden ihn auch mögen, wenn Sie ihn kennenlernen« :::::: wenn ich ihn kennenlerne? was soll das jetzt bedeuten …? :::::: »aber er ist ein ganz klein bisschen« — sie hob Daumen und Zeigefinger hoch und hielt sie so dicht zusammen, dass sie sich fast berührten — »ein ganz klein bisschen versnobt. Zum Beispiel habe ich gleich gemerkt, dass er nicht zeigen wollte, wie angetan« :::::: angetan, nicht froh :::::: »er war, als ich ihm gesagt habe, dass ich mich bei South Beach Outreach engagieren will. Ich bin davon überzeugt, er war davon mehr angetan, als er —«
»Was sagt Philippe dazu, zu seinen französischen Wurzeln und so?« Nestor hatte ihr nicht ins Wort fallen wollen, aber ihm fehlte einfach die Geduld, sich noch mehr von Daddys Snobismus und South Beach Outreach und diesem ganzen gesellschaftlichen Kram anzuhören.
»Philippe ist erst fünfzehn«, sagte Ghislaine. »Ich bezweifele, dass er sich überhaupt irgendwelche Gedanken darüber macht. Nicht bewusst jedenfalls. Im Moment will er nur ein Neg sein, ein schwarzer Haitianer, wie Antoine und dieser Dubois, und die wollen so sein, als gehörten sie zu einer amerikanischen schwarzen Gang, aber was die von den amerikanischen schwarzen Gangs sein wollen, das weiß ich auch nicht.« Und so unterhielten sie sich über Philippes Schwierigkeiten, über Schulen und Gangs.
»Diese Stadt ist so zerrissen in verschiedene Nationalitäten, Rassen und ethnische Gruppen«, sagte Ghislaine. »Natürlich kann man versuchen, das alles einem Fünfzehnjährigen wie Philippe zu erklären, nur hört der nicht zu. Und wissen Sie was? Selbst wenn er es verstehen würde, es würde nicht den geringsten —«
Ghislaine legte plötzlich einen Finger auf die Lippen — pssst — wandte sich der Rückseite des Hauses zu und … lauschte … Fast im Flüsterton sagte sie zu Nestor, »Ich glaube, das ist er. Philippe. Er kommt immer hinten durch die Küche.«
Nestor schaute in die Richtung. Er hörte, wie jemand, wahrscheinlich Philippe, etwas Schweres auf den Küchentisch fallen ließ … und die Kühlschranktür öffnete.
Ghislaine beugte sich vor … und sagte mit der gleichen Flüsterstimme, »Das macht er immer als Erstes, wenn er von der Schule nach Hause kommt: Er holt sich was Kaltes zu trin ken. Wenn er glaubt, dass Daddy da ist, nimmt er Orangensaft. Wenn er weiß, dass Daddy nicht da ist, wie heute, eine Cola.«
Wamm. Die Kühlschranktür. Ghislaine schaute misstrauisch in die Richtung und drehte sich dann wieder zu Nestor um. »Daddy versucht erst gar nicht, ihm Cola zu verbieten, aber immer wenn er sieht, dass Philippe eine trinkt, sagt er zu ihm, ›Und, schmeckt wie flüssiger Zucker, oder?‹ oder irgendwas in der Art. Das macht Philippe rasend, er kann das nicht ausstehen. Wenn Daddy versucht witzig zu sein, traut Philippe sich nicht zu lachen … weil Daddy oft irgendeine Art von unterschwelligem Sarkasmus einbaut, mit dem er dann klarkommen muss. Er ist erst fünfzehn. Manchmal denke ich, dass ich mal mit Daddy darüber reden sollte.« Sie schaute Nestor an, als könnte er ihr einen weisen Rat geben.
Nestor lächelte sie so warmherzig an, wie er konnte … ein Lächeln, das ihm ein paar Sekunden zu lang geriet. »Das kommt auf Ihren Vater an«, sagte er. Das kommt auf Ihren Vater an? Was sollte das bedeuten? … Es bedeutete, dass er abgelenkt war … Er liebte Ghislaines verletzlichen, schutzlosen Gesichtsausdruck … der ihm zu sagen schien, »Ich verlasse mich ganz auf Ihr Urteil.« Als sie sich so zu ihm vorbeugte, war ihr Gesicht keine fünfzig Zentimeter von den Knien ihrer übergeschlagenen Beine entfernt. Ihre Shorts waren ziemlich kurz. Ihre Beine waren der fleischliche Ausdruck
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