Back to Blood
piep piep — sein Handy hatte eine SMS für ihn. Magdalena! Wer sonst? Er schaute kurz auf das Display — Magdalena! — aber die SMS war nicht von Magdalena. Sie lautete, »Die Verweigerung ungerechter Befehle ist ein Charaktertest.« Das war alles, das war die ganze Nachricht. Sie war gezeichnet, »Dein alter Lehrer und dein Freund, was immer auch geschieht, Jaime Bosch.« Mr. Bosch unterrichtete Aufsatzlehre und Textverständnis an der Polizeischule. Er war der Lieblingslehrer aller Schüler. Er hatte Nestor nebenher Einzelunterricht gegeben, aus reiner Gefälligkeit und aus Liebe am Unterrichten. »Die Verweigerung ungerechter Befehle ist ein Charaktertest.« … Nestor wurde nicht schlau daraus. Sein Kopf fing an zu schmerzen … heftig.
Er hob wieder den Blick und versuchte sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Gott sei Dank waren sie immer noch in bester Stimmung. Sie kicherten und lachten. Umberto Delgado, der auf der Polizeischule in Nestors Klasse gewesen war, sagte auf Englisch: »Was sollte dieser Scheiß mit der Beinschere, Nestorcito? Die ist doch dazu gedacht, jemanden kampfunfähig zu machen, wenn man sich im Dreck rumwälzt — und nicht dafür, so einen Penner an einem dreißig Meter langen Tau an Deck zu schaffen!«
Alle lachten und lachten und alberten und alberten. Nestor genoss es! … aber da waren noch drei SMS übrig … musste sie lesen … waren reingekommen, während sein Leben buchstäblich am seidenen Faden hing … während er den Mann auf dem Mast zwischen seinen Beinen gehalten und sich Faust an Faust an diesem Tau hinuntergehangelt hatte. Die Neugier brannte in ihm … und eine Ahnung, die er nicht benennen wollte … und eine Hoffnung — Magdalena! Wieder schaute er kurz auf das Display. Die erste SMS lautete … »ausgerechnet du« — und sie war nicht von Magdalena. Sie war von Cecilia Romero. Merkwürdig, das war das Mädchen, mit dem er ausgegangen war, als er Magdalena kennengelernt hatte … Schräg … was hat sie damit gemeint, »ausgerechnet du«? Verwirrend … aber er ließ sich nichts anmerken … er tauchte wieder ein in die belebende Flut männlichen Gelächters … aber ein winziger Zweifel keimte auf.
»Na, Nestor, wie hat dir das gefallen, als der kleine Widerling unter Wasser auf Ultimate-Fighting-Modus umgeschaltet hat?«, sagte Lonnie Kite. »Hab ich’s dir nicht gesagt? Unter Wasser verwandeln sich diese kleinen Ärsche in Monster!«
»Ich hätte auf dich hören sollen, Lonnie!«, sagte Nestor. Noch vor einer halben Stunde hätte er nicht mal dran gedacht, Officer Kite mit dem Vornamen anzusprechen. »Dieser kleine Scheißkerl. Hängt mit seinem toten Gewicht die ganzen dreißig Meter das Tau runter an mir dran, und kaum ist er zehn Zentimeter unter Wasser, kommt er wieder zu sich. Und bevor ich weiß, wie mir geschieht, haut er mir schon auf die Fresse!«
Und alle lachten und lachten, aber Nestor — musste unbedingt die beiden anderen SMS lesen. Neugier und Angst und ein letzter Funke Hoffnung — vielleicht ist ja doch eine von Magdalena! — ließen ihm keine Wahl. Noch einmal wagte er einen schnellen Blick nach unten auf sein Handy. Wagte — musste . Die erste Nachricht war von J. Cortez. Er kannte keinen J. Cortez. Sie lautete, »ok bist ein latingostar und jetzt« Keine Unterschrift. Was zum Teufel bedeutete »Latingo«? Allzu schnell begriff er. Ein Latingo konnte nur ein Latino sein, der sich in einen gringo verwandelt hatte. Und was sollte das bedeuten? Um ihn herum ausgelassene Fröhlichkeit, aber Nestor konnte nicht anders … er musste bis ganz nach unten scrollen. Die letzte Nachricht war von Inga La Gringa und lautete, »Du kannst dich immer unter meinem Bett verstecken, Nestorcito.« Inga war Barfrau und Kellnerin in dem Laden gleich um die Ecke von der Marina. Sie war sexy, stimmt schon, eine große baltische Blondine mit fantastischen Brüsten, die irgendwie immer nach oben zeigten, wie Geschosse, und die sie gern zeigte. Sie war in Estland aufgewachsen … sexy Akzent, das auch … Inga war eine echte Granate, aber sie war um die vierzig, kaum jünger als seine Mutter. Es war fast so, als wüsste sie immer genau, was er dachte. Jedes Mal, wenn er hereinkam, machte sie ihn auf eine kokette, aber komische Art an, sorgte dafür, dass er einen langen, ausgiebigen Blick in die Spalte zwischen ihren großen saftigen Brüsten werfen konnte … oder machte sie sich bloß einen Spaß mit ihm? Sie nannte ihn »Nestorcito«, weil sie
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