Back to Blood
der Nase bedeckte. Die meisten Männer benutzten den Gillette Double-Stubble-Elektrorasierer, damit die Stoppeln immer akkurat und gleichmäßig aussahen. Man konnte ihn einstellen wie einen Rasenmäher, je nachdem, wie lang man seine Stoppeln wollte. Dieser Zehn-Uhr-Schatten verlieh Fleischmann ein ungewöhnlich grimmiges und aggressives Aussehen. In geschäftlichen Dingen war er von Natur aus ein Bär, sehr gefürchtet, sehr beneidet, sehr begehrt. Sein Vermögen — Milliarden — hatte er mit einer Firma namens American ShowUp gemacht, die auf einem Geschäftsfeld tätig war, von dem noch nie jemand gehört hatte: »Konfigurierbare Infrastruktur.« Mehrere Male hatten wohlmeinende und kenntnisreiche Seelen versucht, es Ed zu erklären, aber er kapierte es immer noch nicht. Aber wer saß praktisch tête-à-tête mit dem Ehrengast Sergej Koroljow? Nicht der Grizzlybär, sondern Ed. Dieses Detail war den anderen anwesenden Celebrati Miamis durchaus nicht entgangen. Das war der größte Statusschub, seit er in Miami lebte.
Er und der Herald waren Koroljows größte Förderer gewesen, als es galt, ihn und seine riesige Kunstschenkung zum Herzstück des Museumsparks zu machen. Die Idee für den Park — als einem »kulturellen Anziehungspunkt« — war schon in den späten Neunzigerjahren entstanden. Stadtplaner im ganzen Land waren hingerissen von der krausen Idee, dass jede »Weltklasse«-Stadt — »Weltklasse« war ein anderer Be griff, der gerade en vogue war — einen kulturellen Anziehungs punkt von Weltklasse haben müsse. Kulturell bezog sich auf die Künste … in Form eines Weltklasse-Kunstmuseums. Als weitere Attraktion für den Museumspark war das Miami Mu seum of Science geplant, aber das Kernstück des ganzen Projekts würde das Kunstmuseum werden. 2005 waren gute Zeiten gewesen, und der Traum begann realistische Formen anzunehmen. Der Park würde auf dem Gelände des alten Bicentennial Park entstehen — alt, weil die Zweihundertjahrfeier schon vor fast vierzig Jahren stattgefunden hatte, nach Miami-Zeitrechnung eine Ewigkeit — auf einer Fläche von zwölf Hektar in Downtown Miami mit einem atemberaubendem Blick über die Biscayne Bay. Die Beschaffung der Geldmittel trat in ihre konkrete Phase. Das Museum allein würde $220 Millionen kosten, wovon 40 Prozent durch öffentliche Bürgschaften und 60 Prozent durch private Spenden abgedeckt werden sollten. Zwei Weltklasse-Architeken, die Schweizer Jacques Herzog und Pierre de Meuron, würden das Museum entwerfen, und die New Yorker Weltklasse-Firma Cooper, Robertson würde für eine großzügige Landschaftsarchitektur sorgen. Aber es gab Probleme bei der Beschaffung der privaten Spenden. Der kulturelle Anziehungspunkt von Weltklasse konzentrierte sich auf ein Museum … in dem es praktisch nichts gab … lediglich eine mickrige, drittklassige Kunstsammlung mit einigen Hundert zeitgenössischen Gemälden und Objekten aus dem bestehenden Miami Art Museum, das erst 1984 eingeweiht worden war, als die Preise für alle »großen« Kunstwerke schon in unerschwingliche Höhen gestiegen waren.
Doch dann — ein Wunder. Vor vier Jahren ließ sich aus heiterem Himmel ein russischer Oligarch, von dem noch nie jemand gehört hatte, in Miami nieder. Er offerierte dem Museum, das inzwischen »New Miami Art Museum« hieß, Gemälde von namhaften russischen Modernisten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts im Wert von siebzig Millionen Dollar — Kandinskys, Malewitschs et cetera et cetera. Von da an nahmen die Bauarbeiten chaotisch Fahrt auf. Zum Zeitpunkt des Dinners im letzten Jahr waren sie noch nicht ganz abgeschlossen, aber eine Sache war schon fertig. Nach dem Dessert rollten acht Gewerkschaftskobolde ein wuchtiges, mit einem malvenfarbigen Samttuch verhülltes Objekt auf die Bühne, etwa vier Meter hoch und zweieinhalb Meter breit — gewaltig. Der Direktor des New Miami Art Museum sprach einige bewusst vage gehaltene Worte und zog dann an einer Samtkordel. Die Kordel war mit einem Flaschenzugmechanismus verbunden, und das Samttuch flog weg, einfach so. Vor tout le Miami ragte eine gigantische rechteckige Sandsteinplatte auf, in die mit riesigen Großbuchstaben der Schriftzug KOROLJOW MUSEUM OF ART gemeißelt war. Tout le Miami erhob sich wie ein einziges urzeitliches Tier und brach in ohrenbetäubenden Applaus aus. Das Kuratorium hatte das Museum zu seinen Ehren umbenannt. Die Buchstaben waren so tief in den massiven Kalksteinblock gemeißelt, dass man nur
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