Back to Paradise (German Edition)
gelingt es mir zu sagen.
»Caleb.«
Ich gehe auf ihn zu, ohne zu wissen, ob ich ihn umarmen soll oder ihm die Hand schütteln oder ihn auf den Rücken klopfen oder … gar nichts tun. Es ist traurig, wenn dein Vater zu einem vollkommen Fremden für dich geworden ist.
Ich bleibe vor ihm stehen. Er hält noch immer die Aktenmappe fest und starrt mich an. Was sage ich als Nächstes zu ihm?
Ich stoße hervor: »Ich weiß, ich hätte wahrscheinlich besser angerufen und dir gesagt, dass ich komme, aber …«
»Wir haben seit Monaten nichts von dir gehört, Caleb.«
»Ich weiß. Ich konnte nicht länger hierbleiben, Dad. Nicht so, wie die Dinge lagen.«
»Deine Mutter ist krank«, erzählt er mir. »Sie ist jetzt schon seit Monaten immer wieder im Krankenhaus.«
Er sagt es so, als hätte sie eine unheilbare Krankheit. Ich wette, zu sagen, sie sei krank, ist die Standardausrede, die er benutzt, um nicht erwähnen zu müssen, dass sie drogenabhängig ist und einen Entzug macht.
»Ich weiß.«
Ich weiche zurück, als mir bewusst wird, dass das hier kein freudiges Wiedersehen wird, bei dem mein Vater mich mit offenen Armen empfängt. Ich hätte darauf kommen können, dass es so sein würde, als ich entdeckt habe, dass sie mein Zimmer in ein Büro verwandelt haben. Alle Hinweise darauf, dass ich je existiert habe, sind von ihnen getilgt worden.
Er drückt die Aktentasche an seine Brust, beinah als wolle er eine Barriere zwischen uns schaffen. »Wir wussten die ganze Zeit nicht, ob du tot oder lebendig bist. Deine Mutter musste sich eine Geschichte ausdenken.«
Das dürfte mich eigentlich nicht überraschen. Meine Mutter ist die Königin im Geschichtenerfinden. Geschichten, die unsere Familie gut dastehen lassen. »Was hat sie erzählt?«
»Sie hat erzählt, du wärst auf einer exklusiven Privatschule in Connecticut.«
Ein herzhaftes, schnaubendes Lachen dringt von der Couch. Um genau zu sein, dringt es aus Lennys Mund, der auf der Couch sitzt.
»Wer ist das?«, fragt Dad.
»Lenny.«
Lenny springt vom Sofa und begräbt meinen Vater in einer gewaltigen Umarmung. Dad macht total überrascht einen Ausfallschritt nach hinten, doch es gelingt ihm, das Gleichgewicht zu behalten. Ich wette, insgeheim dankt er seinem Highschool-Footballtrainer für die Gleichgewichtsdrills, die er über sich ergehen lassen musste.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Dad«, sagt Lenny. »Oder sollte ich Sie Dr. Becker nennen? Oder Dr. B. oder einfach Doc?«
Ich ziehe Lenny von Dad weg. »Lenny ist eine Art Freund von mir«, erkläre ich meinem Vater. »Eher so was wie ein Hanswurst.«
Ich nehme an, das ist besser, als meinem Vater zu erklären, dass Lenny ein Straftäter ist, der sich für witzig hält und keinen Filter kennt, wenn es um sein Mundwerk geht.
Dad stellt seine Aktentasche in die Garderobe im Flur und sagt zu Lenny: »Du kannst Dennis zu mir sagen.«
»Cool. Gib mir High Five, Dennis.« Lenny reckt die Hand in die Luft und wartet darauf, dass mein Vater einschlägt.
Was der nicht macht. Ich bin nicht sicher, ob er schon mal jemandem High Five gegeben hat. Es ist nicht so, als wäre Dad beschränkt oder altmodisch. Er ist nur … spießig. Er weicht nicht von der Norm ab, weil er sein Leben schön geordnet mag.
Dass ich zu Hause bin, bringt sein geordnetes Leben durcheinander.
Ich bin überzeugt, es ist die Hölle für ihn, dass meine Mom in der Entzugsklinik ist. Er weiß wahrscheinlich nicht, wie er damit umgehen soll, denn für die harte Realität des Lebens gibt es kein Buch mit goldenen Regeln oder einen Spielplan, an den man sich halten kann.
»Seid ihr Jungs, ähm, eine Weile in der Stadt?«, fragt Dad mich. »Oder seid ihr bloß auf der Durchreise?«
Das ist eine Frage, die man einem Bekannten stellt, nicht dem eigenen Sohn.
Leah lehnt an der Treppe und wartet gespannt auf meine Antwort.
Ich bin versucht zu behaupten, ich sei nur auf der Durchreise. Es wäre einfacher, als die Wahrheit zu sagen; dass Lennys Geschichte der Auslöser war zu erkennen, dass ich zurückkommen und mich mit meiner Familie aussöhnen muss.
»Ich hatte daran gedacht, ein paar Wochen zu bleiben«, murmle ich.
»In einem Hotel oder …« Dads Stimme stockt.
»Ich hatte gehofft, hier wohnen zu können, Dad.«
Lenny legt sein Kinn auf meine Schulter. »Ich auch, Dennis.«
Mein Dad kratzt sich am Kopf. »Äh … ich nehme mal an … äh, wir haben kein Bett frei. Wir haben ein Büro aus deinem Zimmer gemacht.«
»Ich werde auf dem
Weitere Kostenlose Bücher