back to past - zurueck zu dir
verbarg, erschwerte nur das Rätsel und übte somit eine Faszination aus, der er sich nicht entziehen konnte. Doch jetzt, da er glaubte zu verstehen, was Christian zurückgelassen hatte und wie viel Kraft es ihn gekostet haben musste, sich sein Leben aufzubauen, erschreckte es ihn zu hören, wie zerbrechlich das Gebäude war, das Christian sich errichtet hatte. Doch eines begriff er nun und das Begreifen schmerzte. Nie würde eine Zeit kommen, in der Christian sich seiner Stärken, seines Wertes bewusst wäre. Zu viel in ihm war zerstört worden. Nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch jetzt, gerade erst am vergangenen Tag.
Jedes Wort, jeder Atemzug von Christian hatte ihm vermittelt, dass er verdient hatte, was ihm widerfahren war . Dass er nicht mehr war, als der Prügelknabe für jeden, der sich als stärker erwies. Da Gabriel selbst sich zu nah an diesen Empfindungen befand, um sie nicht nachvollziehen zu können, überfiel ihn die Verzweiflung, die er in Christian spürte, mit plötzlicher Wucht. Als werde ihm ein Vorhang von den Augen gerissen, der ihn stets vor einer letzten unliebsamen Wahrheit beschützt hatte, starrte er nun in einen Abgrund.
„Christian“, wiederholte er schließlich und schmeckte Tränen in seinem Hals. „Denk das nicht. Du hast viel mehr verdient. Gerade du.“ Seine Stimme brach. „Niemand sollte so denken. Wenn jemand … wenn jemand dankbar sein kann, und das, was ihm geschenkt wird, nicht für selbstverständlich nehmen sollte, dann bin ich das. Ich war dumm genug, mich mit Matthias einzulassen, blind genug, um nicht zu sehen, wohin er sich entwickelt, und schwach genug, um weiter zu hoffen. Verdammt, ich bin erst gegangen, als es beinahe zu spät war.“
Er presste seine Lippen in Christians Haar, sich sicher, dass der inzwischen schlief. Umso mehr erstaunte ihn, als dessen leise Stimme an sein Ohr drang.
„Warum bist du gegangen?“
Gabriel blies seinen Atem gegen Christians Wange. „Ich wusste, dass es Zeit ist, damit aufzuhören.“
„Womit?“ Christian klang müde und verwirrt, und Gabriel zögerte.
„Damit, mir jemanden zu suchen, der mich an dich erinnert. Und der doch vollkommen anders ist. Ein wenig, als wollte ich mir beweisen, dass wir nie eine Chance hatten, als wollte ich mich bestrafen. Dafür, dich alleine gelassen zu haben, dafür, dass ich nie wissen wollte, was in dir vorgeht, dafür, dich zu vergessen.“
Er hasste es, als er die plötzlich auftretende Spannung in Christians Körper spürte, hasste sich dafür, keine Worte für das zu finden, was in ihm vorging.
„Und als ich dich wiedersah, verstand ich nicht, dass du nie der warst, in den dich meine Erinnerung verwandelt hat.“
„Doch, der war ich“, flüsterte Christian rau. „Du hast mich richtig gesehen.“
„Nein.“ Gabriels Hand glitt durch Christians Haar, und der schmiegte sich in die Berührung. „Du hattest nie auch nur einen Ansatz der Aggressivität in dir, die Matthias ausstrahlt. Dass ich dich dem ausgesetzt habe, werde ich mir nie verzeihen. Und ich werde nicht zulassen, dass du mich noch einmal wegstößt.“
Seine Hand stoppte in der Bewegung.
„Es sei denn, dass es dein Wunsch ist“, sagte er langsam und wartete, schwieg. Eine Antwort bekam er nicht und Gabriel hielt den Atem an, lauschte auf Christians gleichmäßige Luftzüge, fühlte den Herzschlag des anderen nah an seinem Körper. Er lächelte, als er begriff, dass Christian eingeschlafen war.
Als Christian erwachte, war es Abend. Er lag auf dem Sofa, sorgfältig zugedeckt, und es duftete nach Tee. Als er sich umdrehte und aufzustehen suchte, wurde er unangenehm an seine Rippen erinnert und stöhnte leise auf.
„Warte, ich helfe dir.“ Mehr war nicht nötig und Gabriel befand sich an seiner Seite, stützte ihn auch noch, als Christian ihn bereits wegschob. „Mir geht es gut. Ich muss nur ins Bad.“
Im Badezimmer starrte er einen Augenblick in den Spiegel, betrachtete die Verbände, die müden Augen, die trockenen Lippen. Er verzog das Gesicht, als er die zerdrückte Kleidung abstreifte, ächzte verhalten, als er sich ungeschickt nach dem Wasserhahn bückte und seine Rippen schmerzten. Vorsichtig entfernte er den stützenden Verband, die Klebestreifen, betastete Schwellungen und Nähte, bevor er in die Dusche stieg. Er schloss die Augen, als er sich unter dem Wasserstrahl befand, Krankenhaus, Blut und Schmerz abwusch.
Nichts denken wäre gut. Sich nicht fragen, welche Worte von denen, die Gabriel
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