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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nicht brauchen, vielleicht aber lösen konnte. Ich trat auf die Bremse, machte eine plötzliche Kehrtwende, so dass die Reifen quietschten, und lenkte den kleinen Sportwagen zu Kims Wohnung, einer winzigen Eigentumswohnung in einem zerfallenden Gebäudekomplex, der in den Jahren vor der Bitchun-Ära einmal eine umzäunte Seniorenresidenz gewesen war.
    Ihre Wohnung war leicht zu finden. Alle Lampen brannten und durch die Fliegengittertür waren leise Unterhaltungen zu hören. Ich nahm je
zwei Stufen auf einmal und wollte gerade anklopfen, als eine vertraute Stimme durch die Tür drang.
    »O ja, o ja! Tolle Idee!«, sagte Debra gerade. »Ich wäre nie darauf gekommen, die Atmosphäre in den Wartebereichen mit Hilfe von Komparsen aufzulockern, aber es ist nicht dumm, was du da sagst. Drüben im Spukhaus habt ihr erstklassige Arbeit geleistet. Wenn ihr noch mehr Leute eurer Art auftreiben könnt, bringe ich sie jederzeit in der Halle der Präsidenten unter!«
    Ich hörte Kim und ihre jungen Freunde aufgeregt und voller Stolz durcheinanderplappern. Wut und Angst gingen mir durch Mark und Bein, doch plötzlich fühlte ich mich unbeschwert, gelassen und bereit, etwas Furchtbares zu tun.
    Lautlos schlich ich die Treppe hinunter und stieg in meinen Sportwagen.
     
    Manche Menschen lernen nie dazu. Ich bin offenbar einer davon.
    Als ich durch den Personaleingang schlüpfte, musste ich fast darüber kichern, wie einfach und narrensicher mein Plan angelegt war. Ich benutzte den Ausweis, den ich mir besorgt hatte, als meine Systeme plötzlich vom Netz abgekoppelt waren und ich meine Zugangsberechtigung an der Tür nicht mehr online nachweisen konnte.

    In einem Waschraum an der Hauptstraße zog ich mich um und wechselte in eine schwarze Mönchskutte, die mein Gesicht völlig verdeckte, dann schlich ich mich an den Schaufenstern entlang, bis ich den Graben rund um Aschenputtels Schloss erreichte. Geduckt stieg ich über den Zaun, huschte die Böschung hinunter, ließ mich ins Wasser gleiten und watete ins Abenteuerland hinüber.
    Während ich zur Einfahrt von Liberty Square weiterschlich, drückte ich mich in Hauseingänge, sobald ich in der Ferne Wartungsmannschaften vorbeifahren hörte. Auf diese Weise erreichte ich schließlich die Halle der Präsidenten und war im Handumdrehen im Theater selbst.
    Während ich eine Brechstange aus der Tasche der Kutte zog und mich an die Arbeit machte, summte ich die Melodie von Small World vor mich hin.
    Die Hauptsendeeinheiten waren hinter bemaltem Stoff oberhalb der Bühne verborgen. Für Geräte der ersten Generation waren sie erstaunlich solide konstruiert. Ich musste mich wirklich anstrengen, um sie zu zertrümmern, doch ich machte weiter, bis kein einziges Bauteil mehr zu erkennen war. Die Arbeit war zeitraubend und machte in dem stillen Park ungeheuren Lärm. Ich geriet dabei regelrecht in Trance: Das monotone krach-peng-krach-peng zog mich in seinen Bann.
Um nichts zu riskieren, schnappte ich mir die Speichermodule und steckte sie in die Kutte.
    Debras Backup-Einheiten aufzuspüren, war schon etwas schwieriger, aber die Jahre, die ich in der Halle der Präsidenten herumgehangen hatte, während Lil an der Animatronik herumbastelte, halfen mir. Systematisch durchsuchte ich jede Ecke, Nische und Lagerzone, bis ich sie gefunden hatte, und zwar in der früheren Toilette des Pausenraums. Inzwischen hatte ich den Rhythmus raus und machte kurzen Prozess.
    Ich drehte noch eine Runde und zertrümmerte alles, was wie ein Prototyp der nächsten Generation aussah. Außerdem vernichtete ich auch die Notizen, die sie gebraucht hätten, um die zerstörten Einheiten zu rekonstruieren.
    Ich machte mir nichts vor: Bestimmt war Debra auf derartige Sabotageakte vorbereitet und hatte irgendwo Material ausgelagert, das sie binnen weniger Tage montieren und betriebsbereit machen konnte. Ich richtete keinen dauerhaften Schaden an, konnte mir nur einen Vorsprung von ein, zwei Tagen verschaffen.
    Ich verzog mich aus dem Park, ohne dass mich jemand bemerkte, und schlurfte zu meinem Sportwagen zurück, die Füße triefnass vom Marsch durch den Schlossgraben.
    Zum ersten Mal seit Wochen schlief ich wie ein Baby.

    Natürlich wurde ich erwischt. Ich bin wirklich nicht der Typ für solche Lumpereien im Stil von Machiavelli und hatte eine unübersehbare meilenweite Spur hinterlassen – von den schlammigen Fußspuren im Foyer des Contemporary bis zur Brechstange, die ich gedankenlos zurückgelassen hatte, genauso wie

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