Bad Fucking
dass ihr das half, sang sie alle Lieder, an die sie sich erinnern konnte. Einmal hatte sie im Radio die Oper
La Gioconda
mit Maria Callas gehört und war wie elektrisiert. Mit klopfendem Herzen saß sie vor dem Radioapparat, und als die Arie
Suicidio
erklang, begann sie hemmungslos zu weinen. Von da an wollte sie Opernsängerin werden.
Sie kaufte sich CDs mit Callas-Aufnahmen und hörte sie so lange, bis sie sie auswendig konnte. Außerdem las sie zwei Biographien über ihr Idol, dessen tragische Lebensgeschichte sie zutiefst berührte. Um dem Schönheitsideal der Callas zu entsprechen, wollte sich Veronika von Dr. Ulrich sogar eine Zahnspange machen lassen, damit ihre Zähne genauso schön aussahen wie die der weltberühmten Sängerin, musste den Plan wegen Geldmangels aber wieder aufgeben. Dass Veronika im Gegensatz zur Callas eher pummelig war, übersah sie geflissentlich.
Auch wenn sich Veronika häufig in eine Traumwelt flüchtete und auf Außenstehende den Eindruck einer realitätsfremden Person machte, durchschaute sie sehr wohl, was in Bad Fucking vor sich ging. Das lag vor allem daran, dass sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, die Fotos, die man ihr zum Entwickeln gab, aufmerksam zu studieren.
So auch an diesem Abend, an dem sie im ersten Stock ihres Hauses am Küchentisch saß und Aufnahmen von Pilzen betrachtete, die wie Penisse aussahen. Gemacht hatte sie dieser Schwachkopf Philipp Hintersteiner, und Veronika ärgerte sich, dass sie sich die Fotos überhaupt ansah. Aber irgendetwas reizte sie daran.
Vielleicht lag es an der Hitze, dass sie an die schwarze Hütte denken musste, die sie vor einigen Monaten mitten im Wald entdeckt hatte. Durch ein verdrecktes Fenster hatte Veronika gesehen, wie ein Mann eine Frau von hinten vögelte. Der Mann, der Veronika seinen Rücken zugewandt hatte, trug ein weißes Hemd, das nach oben geschoben war. Seine Hose und die Kleider der Frau lagen auf dem dreckigen Boden. Die Frau hatte sich mit den Händen an den Armlehnen eines Stuhls abgestützt und dem Mann ihren Hintern entgegengestreckt.
Veronika hatte sich abgewandt und mit klopfendem Herzen an die von der Sonne aufgeheizte Holzwand gelehnt. Es hatte nach Teer gerochen, und Kindheitserinnerungen waren in ihr aufgestiegen, die aber gleich wieder verschwanden. Sie hatte ein Kribbeln in der Bauchgegend verspürt und war sich wie eine Voyeurin vorgekommen. Als das Stöhnen der Frau immer lauter geworden war, lief Veronika einfach davon.
Veronika ging zum Herd und stocherte lustlos in einem Topf mit Spaghetti und Tomatensauce herum. Sie fragtesich, ob sich die Callas auch von Spaghetti mit Tomatensauce ernährt hatte. Sie drehte die Hitze zurück und stellte sich im Vorzimmer vor den Spiegel. Sie schob ihr T-Shirt hoch und betrachtete ihren Bauch, der eindeutig zu dick war. Aber sie tröstete sich damit, dass Aristoteles Onassis auch keine Schönheit war und trotzdem von der Callas geliebt wurde.
Sie ging zum Küchentisch und sah sich die Fotos mit den Penis-Pilzen an. Während sie im Stehen masturbierte, stellte sie sich vor, dass sie eine berühmte Sängerin war, die sich mit ihrem Liebhaber in der schwarzen Hütte traf. Gerade, als sie von ihrem Liebhaber ausgezogen wurde, breitete sich ein beißender Geruch in der Küche aus. Es roch eindeutig nach verbrannten Spaghetti mit Tomatensauce.
Veronika nahm die Fotos und fuhr mit den feuchten Fingern über die penisförmigen Pilze. Dann zerriss sie sie in lauter kleine Fetzen.
Schreckenschlager stand vor dem Kühlraum und hob bedauernd die Hände. »Ja, ich kann auch nichts dafür, dass die Kühlanlage in der Aufbahrungshalle ausgefallen ist. Die Hitze ist einfach zu stark, der Motor hat das nicht mehr gepackt.«
»Und warum hast du das nicht schon längst reparieren lassen?«, fragte Hintersteiner zornig.
»Ich hab eh dem Lassacher gesagt, er soll mir einen Elektriker vom Lagerhaus vorbeischicken, aber er hat gesagt, dass das noch ein paar Tage dauern wird. Ich hab ja gehofft, dass bei der Hitze niemand stirbt, aber die Leute richten sich beim Sterben halt nicht nach dem Wetter.«
Für Pamminger war das der ideale Zeitpunkt, sich in die Debatte einzuschalten. »Mir ist das egal, aber die Leiche gehört weg. Da hilft nichts. Wenn die Leute davon erfahren, kaufen sie ja nichts mehr bei mir. Oder tätest du ein Schweinefleisch kaufen, wenn du wüsstest, dass daneben ein Toter gelegen ist?«
»Aber das Schwein ist ja auch tot«, sagte Schreckenschlager und
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