Bad Fucking
ebenfalls vergittert war. ›Bitte, bitte, lieber Gott, hilf mir‹, flehte sie und scharrte mit den Füßen. ›Wobin ich hier?‹ Den Vogellauten nach zu schließen, stand die Hütte, in der sie gefangen war, in einem Wald. Dass es draußen hell war, beruhigte sie, gleichzeitig hatte sie aber Angst, dass sie bei Einbruch der Dunkelheit noch immer hier sitzen würde. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie hatte plötzlich das Gefühl, erbrechen zu müssen. ›Nur das nicht, wenn ich jetzt speiben muss, ersticke ich.‹ Maria Sperr versuchte, gleichmäßig und tief durch die Nase zu atmen. Langsam beruhigte sich ihr Magen und sie fühlte sich ein wenig besser.
Die trockene Hitze in der Hütte hatte sie bisher nicht als unangenehm empfunden, allerdings war sie durstig. Noch war der Durst erträglich, aber wenn sie in den nächsten Stunden nichts zu trinken bekäme, würde sie wahrscheinlich ohnmächtig werden. Wieder machte sich Panik in ihr breit. ›Nein, nein, das gibt es nicht. Die werden mich bald finden, es muss ja längst eine Suchaktion gestartet worden sein.‹ Maria Sperr wurde wütend. ›Warum können mich die Sicherheitsbehörden nicht über mein Handy orten? Da werden Millionen in neue Überwachungssysteme investiert, und dann ist die Polizei nicht einmal in der Lage, die Innenministerin zu finden. Ein Skandal.‹ Das penetrante Summen der Fliegen, die sich mittlerweile auch auf ihre Schamhaare gesetzt hatten, empfand sie in ihrer Situation als besonders quälend. Sie bewegte ihren Unterkörper hin und her, um die Fliegen zu verscheuchen, aber es nützte nichts. Die Fliegen schienen sich da unten wohl zu fühlen.
Maria Sperr hatte keine Ahnung, wo sie war und wer sie hierher gebracht hatte. Ihr war das alles ein Rätsel. Sie versuchte, die letzten Stunden zu rekonstruieren. ›Heute bin ich – oder war es gestern, als ich mit Nicolae im Dienstwagen von Wien Richtung Bad Fucking unter-wegswar? Moment, Moment, was war da? Da war doch irgendetwas mit Nicolae.‹ Die Innenministerin hatte das Gefühl, dass es in ihrem Gedächtnis etliche Lücken gab. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, was während der Fahrt passiert war. Sie dachte angestrengt nach. ›Ich bin hinten gesessen und habe zuerst einen Bericht über die Lage in Ungarn nach diesen Zigeunermorden gelesen. Dann habe ich mir die Mappe mit den geheimen Unterlagen über das geplante Asylantenheim in Bad Fucking angesehen.‹
Maria Sperr hielt plötzlich inne, weil sie dachte, draußen ein Geräusch gehört zu haben. Sie konzentrierte sich, und tatsächlich klang es so, als würde sich jemand vorsichtig der Hütte nähern. Das Geräusch kam näher, und sie versuchte, sich bemerkbar zu machen. Sie kratzte mit den Füßen auf dem Boden, ließ es aber gleich wieder sein, weil das Gekratze nur Schmerzen verursachte. Dann schrie sie, was mit zugeklebtem Mund eher wie das Wimmern eines jungen Ferkels klang. Plötzlich war es still, und vor dem Fenster wurde ein Kopf sichtbar. Maria Sperr hielt den Atem an. Was, wenn ihre Entführer zurückgekommen waren, um sie zu töten? Vor dem verdreckten Fenster tauchten aber keine Entführer auf, sondern ein Reh, das sie mit großen, braunen Augen neugierig ansah. ›Das darf doch nicht wahr sein.‹ Das Reh beugte seinen Kopf ein wenig zur Seite und wackelte mit den Ohren. Es sah jetzt genauso aus, wie man sich ein liebes, treuherziges Reh vorstellt. Wenig später war das Tier wieder verschwunden, und Maria Sperr hörte, wie es sich langsam durch das trockene Gras entfernte.
Sie beruhigte sich, und ihr wurde wieder bewusst, in welch beschissener Lage sie sich befand. Zu allem Überfluss musste sie auch noch dringend pinkeln. Sie wolltees zurückhalten, ließ es dann aber einfach laufen. ›Oh, Gott, hoffentlich findet mich in dieser Situation kein Journalist, das wäre das Ende meiner Karriere.‹
Nach ein paar Minuten war sie wieder so weit, dass sie über den weiteren Verlauf des heutigen – oder gestrigen – Tages nachdenken konnte. Plötzlich erinnerte sie sich an die Szene auf dem gesperrten Autobahnparkplatz. Sie hatte zunächst gar nicht mitbekommen, dass Nicolae auf diesen Parkplatz gefahren war. Erst als sie realisierte, dass der Dienstwagen hinter einem Gebüsch stehengeblieben war, fragte sie ihren Fahrer, was los sei. »Muschilecken«, hatte Nicolae frech geantwortet, woraufhin sie ihm klarmachte, dass er sich gefälligst zusammenreißen solle.
Nachdem sie es in den letzten Monaten mehrmals mit
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