Bädersterben: Kriminalroman
Abfertigungsgebäude. Ruckartig stoppte die Maschine, und wenig später wurden die Türen von außen entriegelt. Die verbleibenden Mitreisenden hasteten wie Fliehende vor dem Weltuntergang aus dem Flugzeug, auch dieser smarte Duckstein. Ihre Fluglust schien endgültig erloschen zu sein. Sollte er jetzt auch mit dem Katamaran nach Helgoland weiterfahren?
11 Hafenkino
Als Olli frühmorgens von den Landungsbrücken in Hamburg-Sankt Pauli auf die Katamaranfähre stieg, war die Welt noch in Ordnung. Schnell kämpfte er sich durch das Hauptdeck zum Oberdeck hoch, denn er hatte sicherheitshalber die Komfortklasse gebucht. Auf der Internetseite der Fährgesellschaft hatte er gelesen, dass die normale Touristenklasse, die als Jetclass bezeichnet wurde, Platz für mehr als 500 Passagiere bot. Diesem Rummel in der zweiten Klasse, den er von der Deutschen Bahn in überaus unangenehmer Erinnerung hatte, wollte er entgehen.
Die Platzbelegung der nach vorn ausgerichteten wuchtigen Liegesitze war zum Glück ausgesprochen übersichtlich, was sicherlich an der schlechten Wettervorhersage für den heutigen Morgen lag. Alle Sitze ermöglichten einen wunderbaren Blick durch die riesige Fensterfront, hinter der sich das mächtige Hamburger Hafenpanorama vor ihm ausbreitete. Das war großes Hafenkino, wie es Stuhr immer nannte, auch wenn sich die Sonne heute noch hinter einer dichten Wolkendecke versteckte. Es war jedoch zunehmender kräftiger Wind für den Vormittag angesagt, der die Wolken sicherlich schnell vertreiben würde. Das war auch der Grund, warum er nicht zu Stuhr in den Flieger steigen wollte, denn diesen wackeligen kleinen Propellermaschinen traute er nicht. Er verließ sich lieber auf die Werbebotschaft der Reederei, die ein tolles Reiseerlebnis versprach. Der Internetseite war zu entnehmen, dass ein spezielles computergesteuertes Dämpfungssystem Schiffsbewegungen selbst bei grober See minimierte. Für bis zu vier Meter hohe Wellen war das Doppelrumpfboot zugelassen. Hightech pur.
Glücklicherweise waren die Wellen der Elbe im Hamburger Hafen sehr viel niedriger, wenngleich sie bereits kleine weiße Schaumkronen trugen. Olli ließ sich auf seinem Platz in der ersten Reihe nieder. Nach einer kurzen Ansage setzte sich der Katamaran langsam in Bewegung, und erwartungsgemäß ruhig begann die dreistündige Fahrt nach Helgoland. Wenig später kam eine junge Bedienung zum Platz und erkundigte sich freundlich nach seinen Wünschen. Olli freute sich über seine Entscheidung, die Komfortklasse gewählt zu haben und versuchte, sich als Nächstes auf der Elbe zu orientieren.
Nicht viel schneller als ein Hafendampfer passierten sie zunächst den Altonaer Fischmarkt und die künstlich aufgeschütteten Strände auf der Kaimauer des Fischereihafens, in denen er am Wochenende gern bis frühmorgens abhing. Es folgte der kleine Museumshafen in Övelgönne, von dem aus man vortrefflich bei schönem Wetter durch die verwinkelten Gänge mit den alten Fischerhäusern bis nach Teufelsbrück flanieren konnte. Dort wechselte der Hafendampfer normalerweise auf die linke Elbseite, um in Finkenwerder anzulegen. So war Olli auf dem Katamaran angenehm überrascht, als sie sich weiterhin auf der rechten Elbseite dem Nobelvorort Blankenese näherten. Das Fahrwasser verlief dicht am Strandweg, und der Süllberg, einer der beliebtesten Wohnorte Hamburgs, breitete sich in nächster Nähe vor ihm aus. Viele der weißen Villen, die sich an den Hang schmiegten, waren nur über Treppen erreichbar. Auf der Kuppe thronte wie eine Burg das Süllberg-Restaurant, eine vornehme kulinarische Adresse. Blankenese weckte stets schöne Erinnerungen in ihm, durchaus auch geschäftlicher Art.
Die junge Bedienung servierte ihm sein Heißgetränk. Wenig später hörte er die Tür klappen. Vermutlich musste sie in der Hauptklasse aushelfen, denn er hatte beim Betreten der Fähre bereits gemerkt, dass einige Fahrgäste trotz des noch jungen Tages bereits ihre Angst vor Seekrankheit mit Schnaps bekämpften. Unerwartet spürte er, dass er kräftig in den Sessel gedrückt wurde. Der Katamaran nahm Fahrt auf, und einem Informationsmonitor an der Decke war zu entnehmen, dass sie jetzt mit fast 70 Stundenkilometern über die kleinen Schaumkronen der Elbe fegten. Es schaukelte ein wenig unrhythmisch, als wenn ein ICE auf S-Bahn-Gleisen fahren würde. Er hatte das einmal in München erlebt, als ein Zug umgeleitet werden musste.
Olli musste schmunzeln. Nie würde er die
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