Bärenmädchen (German Edition)
gleichen Jogginganzug wie Anne, ebenso auch ein Halsband. Sonst waren keine Menschen zu sehen, aber der schwarze Hund ihres Fahrers saß auf dem obersten Treppenabsatz. Er ließ die Gruppe nicht aus dem Auge und schien sie fast wie eine Schafherde zu bewachen.
Schnell drückte sich Anne an dem riesigen Tier vorbei und stellte sich zu den anderen. Sie fröstelte in ihrer dünnen Kleidung und hatte das Gefühl, untenherum nur noch aus nackten, bloßen Schoß zu bestehen. Um sich abzulenken, betastete sie vorsichtig ihr Halsband. Breit und massig fühlte es sich unter ihren Fingerspitzen an. Erst jetzt, als sie es auch an den Hälsen der anderen sah, wurde ihr bewusst, wie sehr man sie damit gekennzeichnet hatte. Für alle sichtbar hatte man ihnen die Freiheit genommen, sie zu Sklavinnen gemacht. Und jede von ihnen hatte es anscheinend so gewollt.
Hätte sie sich selbst doch nur anders entschieden. Vielleicht würde sie in diesem Augenblick schon im Flugzeug nach Hause sitzen. Wie hatte sie nur dieses Schriftstück unterzeichnen können. Ihr Verstand musste sie vollkommen im Stich gelassen haben. Anne brachte ein bitteres Lächeln zustande. Das einzige, was sie im Augenblick nicht im Stich ließ, war der dicke Kloß in ihrem Hals.
Sie schaute auf ihre beiden Bewacher. Die pausbäckige Schwester war zu dem Hund gegangen und kraulte ihm den massigen Kopf. Er schien es zu genießen, denn er lehnte sich mit seinem kalbsgroßen Körper an sie. Die Mädchen aber ließ er trotzdem nicht aus den Augen. Auch die Schwester schaute auf sie herab. Den kleinen Mund zu einem selbstgefälligen Grinsen verzogen, klatschte sie in die Hände. Dann, als alle Mädchen zu ihr heraufschauten, erklärte sie: „Ihr werdet jetzt zum Schloss geführt. Das ist ein ziemlicher Fußmarsch. Er wird mehrere Stunden dauern. Also spart eure Kräfte. Die Mädchen namens Miriam und Dascha machen den Anfang. Ihr anderen stellt auch zu zweit dahinter auf.“
Es gab einiges Gewusel und dann standen sie brav in der gewünschten Ordnung. Anne hatte neben Ines ihren Platz gefunden. Sie tauschten einen scheuen Blick und lächelten beide verlegen.
„Fein macht ihr das und jetzt fasst ihr euch noch schön bei der Hand“, ertönte es von oben.
Anne spürte, wie sich Ines Hand etwas zögernd in die ihre schob. Zehn erwachsene Frauen, die sich durch wenige Worte in unmündige Kleinkinder verwandelt ließen. Anne hatte sich noch nie in ihrem Leben gleichzeitig so hilflos, zornig und ängstlich gefühlt.
Sie hörte ein trappelndes Geräusch. Erst konnte sie es nicht einordnen. Dann dämmerte es ihr. Es waren Pferdehufe. In der nächsten Sekunde ritt ein Mann auf einem großen schwarzen Pferd um die Ecke des Gebäudes. Ungläubig starrte sie auf die Erscheinung. Es war Rockenbach, der Fahrer. Er hatte sich umgezogen. Jetzt trug er schwarze Lederreitstiefel, eine dunkelbraune Reithose. Dazu eine kurze dunkelgrüne Jacke über einem braunen Hemd. Offensichtlich würde dieser Mensch sie wie eine Schafherde zum Schloss treiben.
Annes ganzer Zorn richtete sich jetzt auf diese Person. Vom Cro-Magnon-Menschen zum Herrenreiter. Trotzdem bleibst du ein Prolet und Widerling, dachte sie so abschätzig, wie sie es in ihrer derzeitigen Lage nur konnte. Ihr war nicht entgangen, dass er in seiner rechten Hand eine aufgerollte Lederpeitsche trug. Sie glaubte einmal gelesen zu haben, dass ein Schlag damit tiefe Spuren hinterließ. Das war in einem dieser Sado-Maso-Werke gewesen, von denen sie idiotischerweise nicht die Finger hatte lassen können. Verdammt sollten diese Bücher sein und hoffentlich fiel der Typ schnellstmöglich vom Pferd und brach sich das Genick.
Böse Gedanken – aber sie taten gut. Warum stöhnte Ines neben ihr auf? Oh weh, in ihrem Zorn hatte sie Ines Hand zusammengequetscht.
„Tschuldigung“, hauchte sie.
„Macht nichts. Bin auch wütend“, flüsterte Ines zurück.
Der Hund war unterdessen aufgesprungen, als er seinen Herren sah. Er begann eifrig mit dem Schwanz zu wedeln, traute sich aber wohl nicht den ihm zugewiesenen Platz zu verlassen, um seinem Gebieter entgegenzulaufen. Als Anne dann auf die Pausbäckige blickte, hätte sie fast losgelacht. Ihr kleiner Mund hatte sich beim Anblick des Reiters zu einem verzückten Lächeln verzogen. Ihren massigen Körper drehte und wendete sie affektiert hin und her. Hätte sie einen Schwanz gehabt, hätte sie mindestens so eifrig wie der Hund gewedelt.
„Ah, Herr Rockenbach, prächtig sehen sie heute
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