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Bärenmädchen (German Edition)

Bärenmädchen (German Edition)

Titel: Bärenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Berlin
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alles möglich – und er wusste, dass es genauso war.
     
     
     
     
     

 
    4. Kapitel:
    Zofenkunde
     
     
    Für Anne war sie sofort die Krähe. Sie war klein, geradezu winzig. Alle Mädchen überragten sie um mindestens einen Kopf. Die schwarzen Haare der Krähe waren über ihrem hageren Gesichtchen zu einem Pagenkopf geschnitten. Der magere Körper steckte in einer Art dunklem Mao-Anzug. Sie mochte vierzig Jahre alt sein, fünfzig oder auch sechzig. Nichts an ihr bot einen Anhaltspunkt, sich genauer festzulegen. Wenn sie sprach, dann meist leise, aber ihre Stimme flatterte krächzend durch den ganzen Raum. Es war, als müsste sie sich nur einmal kräftig räuspern, aber sie tat es nie.
    Am frühen Morgen hatte diese Person Anne und die neun anderen Mädchen aus ihren Betten gescheucht. Todmüde waren sie noch und wie zerschlagen von dem Strapazen des gestrigen Tages. Am Abend zuvor hatten zwei Zofen die zutiefst erschöpften Mädchen von den beiden Männern entgegengenommen und durch scheinbar endlose Gänge und über mehrere Treppenaufgänge in ihren kargen Schlafraum geleitet. Groß war er, fand Anne. Fast wie eine kleine Turnhalle, aber mit Steinfußboden und schlichten weißen Wänden. Nur an einer Wand – es war die Kopfseite des Raumes – war so etwas wie eine Verzierung zu sehen. Ein mannshohes smaragdgrünes M, über dem eine silberne Krone schwebte, war dort hingemalt. Anscheinend war es das Zeichen der Organisation Magnus.
    Aber etwas anderes interessierte sie an diesem Abend tausendmal mehr. Das Bett. Im Schlafraum stand für jede eine eiserne, schmale Schlafstätte bereit. Das Kopfende zur Wand, das Fußende in die Mitte des Raumes zeigend. Am Fußende befand sich zudem ein einfacher Hocker aus Holz. Am Kopfende des Bettes war jeweils ein eiserner Ring in die Wand eingelassen. Anne war viel zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen. Gierig hatte sie sich mit den anderen Mädchen auf einige Karaffen mit Wasser gestürzt, die offensichtlich für sie bereitstanden. Dann zogen sie auf Geheiß der Zofen ihre Trainingsanzüge aus, legten sie auf die Hocker und durften endlich unter die warmen Decken schlüpfen.
    Trotz Annes Müdigkeit wurde es eine unruhige Nacht. Immer wieder schreckte sie hellwach hoch und blickte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Zusammen mit den Atemgeräuschen der anderen Mädchen und dem wunden Gefühl in ihrem Schoss – dort, wo der Mann aus dem Wald in sie eingedrungen war – dämmerte ihr jedes Mal aufs Neue die unfassbare Erkenntnis, dass sie tatsächlich als eine Art Sklavin an diesem monströsen Ort gelandet war.
    Dann, als durch die kleinen Fenster ganz oben an der Wand schon heller Sonnenschein fiel, stand plötzlich die Krähe im Raum. Binnen Sekunden sorgte sie für hektische Eile. Das war leicht, denn sie war nicht alleine. Oh nein, das Rabengeschöpf ließ sozusagen drei Paradiesvögel um sich herumflattern.
    Als Anne die Drei zum ersten Mal sah, war sie überzeugt, immer noch in bizarre nächtliche Träume verstrickt zu sein. Es waren junge Männer, Knaben noch. Allerhöchstens achtzehn Jahre alt. Ihre Gesichter waren fast engelhaft schön, aber auf sehr weibliche Weise. Über ihren Augen zitterten lange Wimpern. Ihre Schmollmünder blieben stets ein wenig offen, so dass man den Schimmer weißer Zähne ahnen konnte. Sie wirkten sogar geschminkt, als trügen sie leichtes Rouge auf den Wangen.
    Hätte Anne sie anderswo gesehen, hätte sie geschworen, dass sie stockschwul seien. Das aber waren sie nicht, wie sich auf sehr drastische Weise zeigte. Unter ihren weißen weitgeschnittenen Rüschenhemden trugen sie nur dünne blaue Strumpfhosen. Mehr als deutlich zeichnete sich in ihr das Geschlecht ab, und es war nicht zu übersehen, dass alle drei von den Mädchen erregt wurden! Prall und herausfordernd ragte ihr Glied unter dem dünnen Stoff der Strumpfhose hervor. Ungläubig wanderten Annes Augen immer wieder zu diesem Anblick hin.
    Die drei Knaben schienen ebenfalls Betas zu sein, denn sie trugen ähnliche Halsbänder wie Anne und die anderen Mädchen. Aus Deutschland stammten sie wohl nicht. Ihre Befehle bellten sie in einer fremden unverständlichen Sprache. Wie Anne bald bemerkte, rief die Krähe sie nicht bei einem richtigen Namen, sondern einfach bei ihrer Augenfarbe. Blau, Grau und Braun. Für Anne waren sie nur die Engelsgesichter, obwohl der Ausdruck Folterknechte besser gepasst hätte. Jeder von ihnen hatte eine kurze fingerdicke Peitsche dabei.

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